Zensus in Tschechien: eine Frage der Nationalität?
Zehn Jahre nach dem letzten europäischen Zensus 2011 sollten dieses Jahr erneut in allen EU-Staaten parallel Volkszählungen durchgeführt werden. Aufgrund der Pandemie haben einige Staaten ihre Zählung auf 2022 verschoben, in anderen findet sie wie geplant statt. Dazu gehört Tschechien, wo man vor allem über die freiwillige Angabe der Nationalität diskutiert.
Zugehörigkeit nennen, Kultur erhalten
Das deutschsprachige Landesecho ruft die Angehörigen der deutschen Minderheit dazu auf, sich zu zeigen:
„Einst lebten über drei Millionen Deutsche auf heute tschechischem Gebiet. Infolge des Zweiten Weltkriegs und der Beneš-Dekrete [die die Entrechtung und Enteignung der Deutschen nach 1945 besiegelten] wurden die meisten vertrieben. Deutschsprachiges jüdisches Leben hatten zuvor die Nationalsozialisten größtenteils zerstört. In den 1950er Jahren zählte die Tschechoslowakei nur noch etwa 160 000 Deutsche. Die kulturelle und sprachliche Assimilation in die tschechische Mehrheitsgesellschaft ließ die Zahl über die Jahrzehnte weiter sinken. ... Auch die Landesversammlung [Dachorganisation der deutschen Minderheit] benötigt die neuen Daten, um in den kommenden Jahren Projekte realistisch zu planen und ein attraktives kulturelles und sprachliches Angebot für die deutsche Minderheit zuzuschneiden.“
Auch "europäisch" muss und wird gezählt werden
Einige Tschechen wollen als Nationalität "europäisch" angeben, was eine lebhafte Diskussion ausgelöst hat. Český rozhlas fasst zusammen:
„Einige Leute schreiben in sozialen Netzwerken, dass es keine europäische Nationalität gebe, weil Europa keine Nation sei. Andere hingegen nennen ihre Vorfahren aus allen Teilen des Kontinents und erklären so ihre europäische Zugehörigkeit. Sie verweisen zudem auf die Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten. Ihr zufolge habe jeder das Recht, frei über seine Nationalität zu entscheiden. In dieser Hinsicht unterscheide sich diese von der Staatsbürgerschaft, über die man nicht selbst entscheiden könne. Das Statistische Amt sagt, wenn sich jemand als Europäer fühlt, dann wird er als solcher auch gezählt. Die Nationalität sei für jeden individuell, ein Gefühl oder eine Überzeugung.“