Ramadan – was Corona verändert und was bleibt
Am Dienstag hat für Muslime weltweit der muslimische Fastenmonat Ramadan begonnen. Erwachsene und gesunde Gläubige sind dazu angehalten, von Sonnenaufgang bis -untergang nichts zu essen oder zu trinken. Wegen der Pandemie muss gemeinschaftliches Fastenbrechen auch in diesem Jahr wieder weitgehend ausfallen. Dafür gibt es mehr Zeit für innere Einkehr und Reflexion, erklären Kommentatoren.
Gesundheitsschutz ist Gottes Gebot
Dass dieses Jahr die Fastenzeit wieder unter Corona-Bedingungen stattfindet, sollte Muslime an ihre Pflichten erinnern, erklärt Hürriyet:
„Nach dem islamischen Glauben ist uns unser Körper zur Fürsorge anvertraut worden. ... Der Koranvers 'Bringt euch selbst nicht in Gefahr' ist eindeutig. Ist es dann nicht für alle, die sich Muslime nennen, eine heilige Pflicht, ihr eigenes Leben, das ihrer Lieben und das aller Menschen zu schützen? ... Kommt, lasst uns, um gesund zu bleiben, diesen Ramadan fern von riskanten Entscheidungen, von nicht unbedingt erforderlichen Treffen zu Hause und von Veranstaltungen verbringen, lasst uns im Sinne der Heilung eine 'Enthaltsamkeit von Menschenmengen' praktizieren.“
Gegenmittel für Post-Lockdown-Überschwang
Der Beginn des Ramadans kommt zu sehr passender Zeit, freut sich Kolumnistin Iman Amrani in The Guardian:
„Für mich persönlich fühlt sich das Timing göttlich an. Gerade jetzt, da sich die britischen Landesteile öffnen, beginnt ein heiliger Monat, in dem Disziplin, Zurückhaltung, Gemeinschaft und Wohltätigkeit im Mittelpunkt stehen - ein willkommenes Gegenmittel, wenn sich die Schleusen des Konsums wieder öffnen. Religion ist in den vergangenen Jahrzehnten unglaublich aus der Mode gekommen. Doch der Lockdown hat viele von uns dazu gebracht, mehr über die großen Fragen nachzudenken. Worum geht es im Leben, und wie können wir glücklichere und bessere Menschen sein? Wie entscheiden wir, was wir wertschätzen, und leben dann so, dass die Dinge, die uns am Herzen liegen, geschützt werden?“
Fasten als interreligiöser Dialog
Der Theologe und Religionspädagoge Abualwafa Mohammed erläutert in einem Gastkommentar für die Wiener Zeitung:
„Der Sinn des Fastens besteht dem Koran nach darin, selbst- und gottesbewusster zu werden. Gottesbewusstsein bedeutet vor allem, die eigenen Charakterzüge, Handlungen und Worte zu reflektieren und die eigene gesellschaftliche Verantwortung zu verstehen und auszuüben. ... Muslimisches Fasten wird nicht als islamische Besonderheit gesehen, sondern als gemeinsames spirituelles Erlebnis, das Muslime mit anderen Religionen in Verbindung und Harmonie setzt. ... Die Fastenzeit ist kein Modus von Stillstand und Müdigkeit, sondern die Zeit des spirituellen Tankens, der Selbstreflexion, der Produktivität und der Dankbarkeit.“