Dritte Welle in Russland: Musste es so weit kommen?
Anders als im Großteil der europäischen Länder gab es in Russland monatelang kaum Corona-Einschränkungen. Geimpft sind aber bislang weniger als 10 Prozent der Bevölkerung und nun steigen die Fallzahlen deutlich. Entsprechend diskutiert man mittlerweile eine Impfpflicht (in Moskau wurden Firmen bereits verpflichtet, für 60 Prozent geimpfte Mitarbeiter zu sorgen) - und vor allem die Gründe des Desasters.
Der Westen war schlauer
Ausnahmsweise lobt die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti den Westen für sein Handeln:
„Alles, was man von unseren Bürgern erwartete, war, Verantwortung zu zeigen und sich impfen zu lassen. Doch die große Mehrheit hat diese Aufgabe grandios vergeigt und damit die Ineffektivität einer liberalen Politik und das unberechtigte Vertrauen in den gesunden Menschenverstand in Krisensituationen bewiesen. Zugleich bestätigte sich, dass die westlichen Staaten Recht hatten. Sie machten sich von Anfang an keine Illusionen über die Einsicht eines Großteils der Bevölkerung und zwängten ihre Gesellschaften folgerichtig in einen engen Aktionskorridor.“
Eigenverantwortung wurde uns ausgetrieben
Das Scheitern der Impfkampagne ist für Radio Kommersant FM
„keine Überraschung, sondern das Ergebnis des jahrzehntelangem Paternalismus zwischen Staat und Bürgern, in dem die Idee propagiert wurde, dass einzelne Stimmen oder Taten nichts entscheiden, sondern für uns alles irgendwo in den Fluren der Staatsmacht geregelt wird. Deshalb meinen die Leute, die persönliche Entscheidung zur Impfung hätte keinen Einfluss auf das Gesamtgeschehen: Sollen sich doch andere impfen lassen, wir warten mal ab und sehen dann weiter. Denn wenn es wirklich nötig wäre, wird man uns schon zwingen und uns keinen Freiraum mehr lassen. Offenbar läuft es jetzt genau darauf hinaus.“