Nawalny droht die nächste Haftstrafe - und jetzt?
Kremlkritiker Alexej Nawalny droht eine neue Anklage. Ermittler erhoben Anschuldigungen wegen der Gründung einer Organisation, die Bürgerrechte verletze. Die Anwendung des eigentlich gegen Sekten gerichteten Gesetzes könnte ihm weitere drei Jahre Haftstrafe einbringen. Nawalny war Anfang des Jahres wegen anderer Vorwürfe zu mehrjähriger Lagerhaft verurteilt worden, die im Sommer 2023 enden würde.
Prozesse als politische Bühne
Dass neue Prozesse Nawalnys einzige Chance zum großen Auftritt sind, analysiert nüchtern Echo Moskwy:
„Es besteht keine Illusion, dass Nawalny unter Putin jemals freikommt. Solange der eine sitzt, sitzt auch der andere - nur halt an verschiedenen Orten. Die Amtszeit des einen ist schon in die Verfassung geschrieben worden. Die Haftzeit des anderen wird stückweise bemessen, indem man ein Verfahren nach dem anderen anschiebt. Aber Nawalny scheint dazu erstens bereit und zweitens in gewisser Hinsicht sogar zufrieden. Denn jeder neue Prozess bietet eine Möglichkeit, zu den Menschen zu sprechen. ... Wenn der Staat die Gerichtsbarkeit zur Abrechnung nutzt, kann als Antwort auch Nawalny das Gericht als Schauplatz des politischen Kampfes nutzen.“
Exodus der Kremlgegner
Tygodnik Powszechny wirft einen Blick auf Nawalnys Unterstützer:
„Immer mehr Personen aus dem Umfeld von Alexej Nawalny, denen harte Strafen drohen, entscheiden sich für die Emigration. ... Auf der politischen Bühne Russlands ist schon lange kein Platz mehr für Organisationen und Politiker, die nicht in das von Putin geschaffene politische System passen, in dem alle Fäden in der Hand des Diktators zusammenlaufen. Und nun zeigt sich, dass es auch keinen Platz mehr für sie in Russland gibt.“