Pandemie: Französische Ex-Ministerin angeklagt
In Frankreich steht Ex-Gesundheitsministerin Agnès Buzyn vor Gericht, die Mitte Februar 2020 zurückgetreten war. Sie habe durch ihre Politik zu Beginn der Corona-Pandemie Menschenleben gefährdet, lautet der Vorwurf in Tausenden von Klagen, die gegen Buzyn und weitere Regierungsmitglieder eingegangen sind. Die Landespresse hält das Verfahren allerdings für wenig zielführend.
Wir brauchen Reformen, nicht Prozesse
Es verkennt die Sachlage, hier einzelne Politiker in Verantwortung zu nehmen, erläutert Jean-Éric Schoettl, ehemaliger Generalsekretär des französischen Verfassungsgerichts, in Le Figaro:
„Die begangenen Fehler bei Vorhersage vor und Krisenmanagement während der Pandemie sind unkonkret, kollektiv und unabsichtlich. Hinterfragt werden der Aufbau und die Funktionsweise des Staatsapparats, nicht der Wille von Einzelpersonen. Das Versagen ist nicht hinnehmbar, doch es ist das Ergebnis vielfältiger, lange bestehender, miteinander verknüpfter Mängel. Sie rühren aus einem Zusammenspiel von Ursachen, die niemand wirklich beherrscht oder kennt. Dieses Versagen erfordert Reformen, keine Prozesse.“
Verfahren entmutigt Regierende
In Le Monde warnen die Juristen Olivier Beaud und Cécile Guérin-Bargues davor, dass mehr Schaden als Nutzen entsteht:
„Diese rastlose Suche nach strafrechtlicher Verantwortung von Politikern, die sich derzeit mit Populismus vermischt, birgt das Risiko, dass politische Entscheidungen durch die Notwendigkeit, sich vor strafrechtlichen Bedrohungen zu schützen, beeinflusst werden. Das führt paradoxerweise dazu, dass genau die Untätigkeit gefördert wird, die oft Grundlage solcher Klagen ist. Wer wird in Zukunft noch eine Impfkampagne umsetzen, wenn Ministern eventuelle Nebenwirkungen angelastet werden? Und vor allem: Wer sieht nicht, dass diese Ermittlungen gegen Minister durch in diesem Fall recht wenig aufgeklärte Richter das Vertrauen in unsere Institutionen und somit in die Republik schwächen?“