Shell will nicht mehr in Den Haag Steuern zahlen
Der niederländisch-britische Ölkonzern Royal Dutch Shell will seinen Steuer-Hauptsitz von Den Haag nach London verlegen und sich fortan nur noch Shell nennen. Als ein Grund dafür gilt, dass die Niederlande die Dividendensteuer nicht abschaffen wollen. Die niederländische Regierung erklärte, sie sei "unangenehm überrascht". Kommentatoren bewerten die Entscheidung sehr unterschiedlich.
Der Steuerwettbewerb geht weiter
Das Handelsblatt sieht in dem Wegzug eine Warnung:
„Zeigt sich doch jetzt, dass der internationale Steuerwettbewerb von multinationalen Konzernen auch nach der globalen Einigung auf eine Mindeststeuer für Unternehmen noch längst nicht beendet ist. Shell ist nach Unilever der zweite große Konzern, der seine niederländisch-britische Tradition für einen alleinigen Standort in London opfern will. Wie schon beim Konsumgüterriesen spielt auch bei Shell die 15-prozentige Quellensteuer auf Dividenden eine entscheidende Rolle, die es in den Niederlanden, aber nicht in Großbritannien gibt. Die Konzernkasse läuft über ... . Um das brachliegende Kapital an die Aktionäre zurückgeben zu können, will Shell nun seine Konzernstruktur straffen und Steuern und Dividenden nur noch in Großbritannien bezahlen.“
Dieser Konzern ist Vergangenheit
Die Niederlande haben keinen Grund, den Konzern lange zu vermissen, glaubt NRC Handelsblad:
„Ein Unternehmen, das nicht Innovation, Forschung, Entwicklung oder ausgeklügelte Betriebsverfahren ausschlaggebend findet, sondern das Steuerklima, beweist seine Ideen-Armut und mangelnden Unternehmensgeist. ... Bei einem Auszug des Chipmaschinenherstellers ASML, um mal ein Beispiel zu nennen, wäre Panik gerechtfertigt. Aber nicht bei einer Ölgesellschaft, die in den kommenden zehn Jahren vor allem damit beschäftigt sein wird, dass sie nicht von der Geschichte eingeholt wird. “
Kein roter Teppich mehr für Ölkonzerne
Die Ära von Big Oil ist vorbei, stellt Volkskrant-Kolumnistin Sheila Sitalsing fest:
„Die Zeit, als Shell die Königin der niederländischen Wirtschaft war. ... Es war die Zeit vor den Prozessen, in denen Richter das Undenkbare taten und Shell mitverantwortlich machten. Für Umweltvernichtung im Nigerdelta, für den gesamten Klimawandel. ... Die [Regierungspartei] VVD unternahm Sonntagabend offenbar noch einen verzweifelten Versuch, Unterstützung für die Abschaffung der Dividendensteuer zu bekommen, um Shell hier zu halten. ... Das sind Prioritäten aus einer Ära, die fast vorbei ist.“
Ein schwerer Schlag für den Wohlfahrtsstaat
Große Konzerne bringen Wohlstand und brauchen eine verlässliche Politik, bemängelt De Telegraaf:
„Jahrelang wurde so getan, als würde die [Dividenden-]Steuer verschwinden, aber am Ende war das nicht der Fall. Das passt zum Bild, dass es in der Politik in Den Haag immer weniger Sympathie für große Unternehmen gibt und Vereinbarungen ständig geändert werden. Das ist schlecht für das Wirtschaftsklima; große Konzerne brauchen stabile Regeln. Wenn die Stabilität fehlt, gehen die Konzerne weg, und mit ihnen gehen Jobs und Investitionen verloren. ... Ohne eine gesunde Wirtschaft kann unser Land den heutigen Wohlfahrtsstaat nicht finanzieren.“