Autonomie für Korsika?
Nach tagelangen gewaltsamen Protesten hat der französische Innenminister Darmanin der Insel Korsika die Autonomie in Aussicht gestellt. Auslöser der Ausschreitungen war ein Angriff auf den bekannten und von vielen verehrten korsischen Nationalisten Yvan Colonna Anfang März in einem Gefängnis in Arles. Colonna liegt seitdem im Koma. Die Presse hinterfragt die Politik Frankreichs gegenüber Korsika grundsätzlich.
Erst ignorieren, dann übereilt vorpreschen
Wie Präsident Macron in der Frage vorgeht, ist katastrophal, urteilt Médiapart:
„Vor allem deshalb, weil es tagelanger Gewalt bedurfte, damit die Regierung sich zu einer Reaktion entschloss, obwohl die Forderungen der Nationalisten seit Jahren bekannt sind und seit Jahren bei jeder Wahl, bei den Territorial-, den Kommunal- und Parlamentswahlen auf Zustimmung stoßen. ... Der Präsident wischt fünf Jahre lang die Forderungen der nationalistischen Mehrheit vom Tisch und bastelt dann 26 Tage vor den Präsidentschaftswahlen in aller Eile eine Lösung zur Überwindung der Krise. Damit stellt er sich selbst ein Bein. Die aktuelle Situation wirft in der Tat ein grelles Licht auf Macrons Art, seine Macht wie ein eigensinniger Einzelgänger auszuüben.“
Nie ausreichend um die Insel bemüht
Die aktuelle Situation offenbart seit Jahrzehnten bestehende Missstände, wettert Le Figaro:
„Technokraten, die nicht in der Lage sind, die tief sitzende Verbundenheit zu erkennen, die die Menschen auf der Insel der Schönheit mehr als sonst irgendwo im Land verspüren. Die kaum verhohlene Verachtung gegenüber allen Gebieten, die etwas weiter von Paris entfernt sind; die Ignoranz gegenüber der Geschichte, die uns lehrt, dass Korsika immer dann stolz auf seine nationale Zugehörigkeit ist, wenn Frankreich stark ist. ... Die Leichtfertigkeit schließlich, mit der zwischen zwei Wahlkampfversprechen tiefgreifende Veränderungen bezüglich der territorialen Integrität vorgeschlagen werden. ... Wenn Korsika abdriftet, dann deshalb, weil Frankreich zerfällt.“