Spanien: Stürzt Regierung über Spionageaffäre?
Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass Spaniens Geheimdienst CNI katalanische Politiker von der ERC mit der Pegasus-Software bespitzelt hat. Nun hat Premier Sánchez erklärt, dass er und weitere Regierungsmitglieder selbst Opfer von Spionage wurden. Da die ERC einer der wichtigsten Partner in Sánchez' Minderheitsregierung ist, stellt sich die Frage, warum er das ausgerechnet jetzt kundtat - und ob es ihm aus der Patsche helfen kann.
Früher oder später muss Sánchez gehen
Die Spionagekrise trifft die Regierung schwer, daher ist nach Meinung von eldiario.es die Frage, wie lange Sánchez noch durchhält:
„Die Fehler, die bei der Aufarbeitung der Affäre gemacht wurden, sind gravierend und lassen auf ein ernsthaftes Führungsproblem schließen. ... Es geht nicht darum, ob Pedro Sánchez den tobenden Sturm überleben wird, sondern darum, ob das, was in den letzten Tagen geschehen ist, der Beginn einer Agonie ist, die in einigen Monaten unweigerlich enden wird. ... Die Regierung könnte es bis zum Sommer schaffen, wenn unvorhergesehene Ereignisse sie nicht behindern. Und [Ende Juni] einen Nato-Gipfel ausrichten, bei dem die spanische Spionage wahrscheinlich ein großes Thema sein wird.“
Vorne verhandeln, hinten bespitzeln
Für die Ausspionierung katalanischer Politiker erkennt ABC redliche Gründe, nicht aber für das widersprüchliche Verhalten des Premiers:
„[Der CNI] tat das aus gutem Grund, um mögliche Verbindungen zwischen Separatistenführern und der 'Tsunami Democràtic'-Bewegung zu klären, die Monate zuvor gewalttätige Ausschreitungen provoziert hatte, die als Terrorismus eingestuft wurden. Und auch, um angebliche Verbindungen zum Kreml zu ermitteln. ... Doch warum lässt die Regierung einen Partner wie die ERC ausspionieren und verhandelt gleichzeitig weiter mit ihm? ... Für eine derartige Unterwürfigkeit gibt es nur eine Erklärung: das politische Überleben von Sánchez, auch wenn er dabei die staatliche Sicherheit riskiert.“
Angriff auf die Demokratie
El País fordert eine nationale und internationale Debatte über die Regulierung von Überwachungs-Software:
„Die Bestätigung versetzt alle supranationalen Organisationen, denen Spanien angehört, in Alarmbereitschaft, da es sich um einen Angriff auf die nationale Sicherheit handelt. ... Wie andere europäische Staats- und Regierungschefs gesehen haben, entzieht sich Pegasus den Regeln und Kontrollen des internationalen Rechts, vergleichbar mit Steuerparadiesen oder Technologiegiganten. Eine grundlegende Debatte muss hier dringend eröffnet werden. Wir brauchen Maßnahmen, damit sich derartige Einmischungen nicht wiederholen, denn sie untergraben die Grundpfeiler der Demokratie.“
Was macht eigentlich der Geheimdienst?
eldiario.es fordert Rechenschaft vom spanischen Nachrichtendienst CNI:
„Laut Quellen handelt es sich um mindestens 1.483 Telefone mit spanischer Vorwahl, die mit Pegasus angegriffen wurden. ... Von wem? ... Der CNI hat viele Fragen zu beantworten: Wie ist es möglich, dass der Geheimdienst ein ganzes Jahr brauchte, um einen solchen Angriff auf die höchsten Regierungsposten zu entdecken? Warum wurden diese Terminals nicht früher überprüft, wo doch schon mehr als ein Dutzend Lauschangriffe auf Staatsoberhäupter und Regierungschefs aus aller Welt gemeldet wurden? ... Es ist offensichtlich, dass beim CNI vieles schief läuft. In den letzten Jahren hat er mehr Zeit und Ressourcen darauf verwendet, den Hosenschlitz des emeritierten Königs zu schützen, als ihre Aufgabe zu erfüllen.“