Pegasus: Datenüberwachung außer Kontrolle?

Einer weltweiten Recherche zufolge haben Regierungen mit der Spionagesoftware Pegasus Journalisten, Aktivisten und Oppositionelle ausgeforscht. Betroffen seien auch ungarische Medienschaffende. Der israelische Pegasus-Hersteller NSO beschwichtigte, die Software dürfe nur gegen Kriminelle und zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden und würde nur an "überprüfte Regierungen" verkauft. Europas Presse sind diese Vorkehrungen nicht genug.

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Frankfurter Rundschau (DE) /

Überwachung ohne jede Kontrolle

Für den Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, Thomas Kaspar, beweisen die Enthüllungen erneut, wie leicht sich digitale Überwachungssysteme verselbständigen:

„Auf Tausenden von Smartphones wurde die Software nachgewiesen, ohne dass die [Hersteller-]Firma die Nummern auch nur kennt. Das Überwachungsungetüm ist von der Kette und macht sich selbstständig. Die Pegasus-Enthüllungen zeigen, wie verlogen Begründungen wie 'Terrorbekämpfung' oder 'Kampf gegen Pädophilie' sind, wenn es nur darum geht, den Datenschutz für Sicherheitsbehörden auszuhebeln. Die gnadenlose Logik aller digitalen Überwachung lautet: Einmal ausgerollt, lässt sie sich nicht mehr kontrollieren. ... Da hat sich ein komplettes System verselbstständigt und arbeitet außerhalb jeglicher rechtsstaatlicher Kontrolle.“

Il Manifesto (IT) /

Reichlich späte Empörung

Das Problem Pegasus ist eigentlich nicht neu, wundert sich Michele Giorgio, Nahost-Korrespondent von Il Manifesto:

„Darüber wird schon seit Jahren gesprochen. Doch erst heute entdeckt die EU die heimtückische Natur von Pegasus, der Software, die NSO mit Genehmigung der israelischen Behörden an Regierungen und Regime auf der ganzen Welt verkauft, um Journalisten, Politiker, Gegner und Menschenrechtsaktivisten auszuspionieren. ... Berichte internationaler NGOs, Enthüllungen, Denunziationen, ja nicht einmal der Fall des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi, der 2018 vom saudischen Geheimdienst auch mithilfe von über Pegasus gesammelten Informationen getötet wurde, hat die 'westlichen Demokratien' erschüttert. Es bedurfte der in 16 Zeitungen veröffentlichten Recherche, um eine echte Reaktion hervorzurufen.“

Népszava (HU) /

Ungarn braucht Klarheit

Die Regierung Orbán muss sich vor dem zuständigen Parlamentsausschuss erklären, fordert Népszava:

„Die Justizministerin hat nie so viele Genehmigungen zur heimlichen Informationssammlung erteilt wie derzeit. Offenbar treibt die Regierung eine unendliche Angst um die Macht um. Die Einberufung des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit ist jedoch [nach Meinung der Regierungspartei Fidesz] überflüssig. Dabei sind die Fragen klar: Was hat die israelische Spionagesoftware in Budapest zu suchen? Wer hat sie genutzt, wozu, mit wessen Genehmigung, gegen wen und warum? Es müsste nicht mal eine öffentliche Antwort sein; es würde ausreichen, wenn man in einer geschlossenen Sitzung Antworten gibt.“

Financial Times (GB) /

Spyware-Hersteller wie Rüstungsfirmen behandeln

Ein zumindest vorläufiges Exportverbot der Pegasus-Software fordert Financial Times:

„Es ist höchste Zeit, dass Israel – ein Zentrum für die Entwicklung von Spyware – diese Vorwürfe ernst nimmt. Das Verteidigungsministerium genehmigt Exporte. Die Vorwürfe implizieren jedoch, dass weder das Ministerium noch die Unternehmen ausreichend darauf achten, wie die Technologie eingesetzt wird. Es sollte die gleiche Aufsicht gelten, die in der Theorie auch bei Waffenverkäufen Anwendung findet. Israel sollte die Exportlizenz von NSO aussetzen, während die Vorwürfe gründlich und transparent untersucht werden.“

Fakti.bg (BG) /

Hacker-Paradies Bulgarien mischt mit

Die Überwachungssoftware Pegasus soll Medienberichten zufolge unter anderem in Bulgarien entwickelt worden sein, wo die NSO Group ein Büro unterhielt. Das wäre nicht überraschend, meint fakti.bg:

„Bulgarien bietet den Hackern Frieden und Straffreiheit. Kein Wunder, dass die einheimischen Internetspezialisten nicht mehr auswandern. Es ist nicht notwendig. Über das Web können sie mit der ganzen Welt zusammenarbeiten. Und wenn sie die Regeln brechen - wen interessiert's? Den Staat jedenfalls nicht. ... Ähnlich wie für den Giftmüll aus Westeuropa scheint Bulgarien auch ein bevorzugter Hafen für Cyber-Spionage zu sein.“