Wer zahlt für den Wiederaufbau der Ukraine?
Obwohl es keine Anzeichen dafür gibt, dass Russlands Krieg gegen die Ukraine bald zum Ende kommt, gibt es bereits Überlegungen, wie das Land künftig wieder aufgebaut werden könnte. In Großbritannien und den USA, aber auch EU-intern wird etwa diskutiert, ob es möglich wäre, aufgrund von Sanktionen eingefrorenes russisches Kapital einzusetzen. Europas Presse diskutiert mit und erörtert auch andere Ideen.
Auch russisches Privateigentum unterliegt Schutz
Die Vorstellung, Erlöse aus dem Verkauf russischen Eigentums im Ausland zum Wiederaufbau des Landes zu nutzen, widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien, warnt Lidové noviny:
„Das unter Sanktionen gegen Russland eingefrorene Eigentum kann nach unseren Gesetzen nicht einfach so verstaatlicht werden. ... Das geht nur in Ausnahmefällen, und nur gegen eine angemessene Entschädigung. Der Schutz des Privateigentums ist eine der Grundlagen nicht nur der Marktwirtschaft, sondern auch der Demokratie. ... Nur wenn Personen oder Unternehmen an Straftaten beteiligt waren, die der Vermögensstrafe unterliegen, kann Schadenersatz aus eingefrorenem Eigentum gezahlt werden. Das muss aber in jedem Einzelfall von einem unabhängigen Gericht bestätigt werden. “
Prinzipienlosigkeit kommt teuer
Radio Kommersant FM sieht die Idee ebenfalls kritisch:
„Wie schlecht Moskau auch sein mag, von den Regeln von Gesetz und Ordnung abzurücken, ist nicht wünschenswert. Das wäre ein unangenehmer Präzedenzfall und für die Kritiker der westlichen Welt Grund zur Behauptung, es gäbe keinerlei Werte - alle haben doch Dreck am Stecken. Es ist bemerkenswert, dass in der Verantwortung stehende Funktionäre verstehen, dass die Rechtmäßigkeit Vorrang hat und es keine undurchdachten Entscheidungen geben darf - denn das würde für alle böse enden. Das russische Business könnte indes durchaus an Aufbauprogrammen für die Ukraine teilnehmen - aber freiwillig und mit der Aufhebung von Sanktionen im Gegenzug.“
Eine neue Version von Monopoly
La Stampa stellt ein völlig anderes Modell vor:
„In der Serie Diener des Volkes, die Wolodymyr Selenskyj an die Macht brachte, gibt es eine urkomische Szene, in der die Oligarchen Monopoly spielen. Spielfeld ist die Ukraine als Spielbrett, mit Häfen, Minen und Fabriken. ... Gestern schlug der ukrainische Staatschef in Davos der internationalen Geschäftswelt [per Video] eine neue Version dieses Spiels vor. Jedes Land, jede Stadt und jedes ausländische Unternehmen kann eine Region oder einen Industriezweig der Ukraine 'adoptieren', um sich an den immensen Wiederaufbauarbeiten nach dem Krieg zu beteiligen, deren Kosten im Moment auf 500 bis 600 Milliarden Dollar geschätzt werden. ... Ein katastrophales Fass ohne Boden, das aber auch zum Schnäppchen des Jahrhunderts werden könnte.“
Polnische Firmen sollten sich bereithalten
Unternehmen in Polen können guten Gewissens auf moderate Einnahmen hoffen, meint Gazeta Wyborcza:
„Polen hilft der Ukraine, nimmt Flüchtlinge auf und liefert Waffen. ... Wir haben die moralische Pflicht, aber auch das Recht, uns am Wiederaufbau des zerstörten Landes zu beteiligen. ... Wenn der Krieg zu Ende ist, werden die Vereinigten Staaten, die EU und wahrscheinlich auch andere Länder Mittel in einer Größenordnung freigeben, die mit der des Marshallplans vergleichbar ist. ... Den Polen sollte daran gelegen sein, dass die Zerstörungen in der Ukraine schnell beseitigt werden und sich das Land entwickelt und stabilisiert. Es ist nichts Verwerfliches daran, wenn polnische Unternehmer beim Wiederaufbau Geld verdienen, aber sie sollten nicht unbedingt mit dem großen Geld rechnen.“