Der Papst ist tot: Wofür stand Franziskus?

Nach dem Tod von Papst Franziskus am Ostermontag blickt Europas Presse auf sein zwölfjähriges Pontifikat zurück. Der Argentinier, bürgerlich Jorge Mario Bergoglio, hatte sich bereits als Erzbischof von Buenos Aires betont für Arme und Benachteiligte eingesetzt. Nach seiner Wahl 2013 waren zudem ein Impuls für die katholische Kirche als globale Institution sowie öffnende Reformen erwartet worden.

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T24 (TR) /

Ein Unikum aus einer anderen Welt

Seine Weltanschauung hat die Funktion des Papsttums verschoben, kommentiert T24:

„Er war der erste Papst des 21. Jahrhunderts, der eine Reformbewegung in der römischen Vatikankirche angestoßen hat, und der erste, der seine Gedanken und Haltung zu Armut und Ausgrenzung dargelegt hat. Die beispiellose Tatsache, dass der 2013 gewählte Papst Franziskus seit tausend Jahren der erste Papst von außerhalb Europas war, ein Mann mit einer Leidenschaft für die Literatur, ein Liebhaber von Ketzern wie Verlaine und Rimbaud und einer, der sich zur Melancholie in seinem Leben bekannte, macht diese Entwicklung aus einem anderen Blickwinkel interessant: Die geistige Struktur der 'postkolonialen Welt' hat damit auch die Funktion des Papsttums verschoben.“

Transtelex (RO) /

Absage an Christentum als Machtinstrument

Transtelex erinnert an politisch motivierte Angriffe auf den Papst:

„In den offiziellen Würdigungen [ungarischer Politiker] nimmt man nun Abschied von einem sympathischen, harmlosen Papst – als ob er nie ein umstrittenes Kirchenoberhaupt gewesen wäre. Doch Franziskus war nicht deshalb so wichtig, weil er von allen geliebt wurde, sondern weil er sich denen widersetzte, die das Christentum als Machtmittel nutzen wollten. ... Franziskus hat nicht Christ gespielt – er war ein Christ. Und er hat das Evangelium nicht von der Realität getrennt. Deshalb wurde er zur Zielscheibe. Weil er Migranten die Füße wusch ... Und weil er sagte: Christ ist nicht der, der auf die Nation verweist, sondern wer sich mit den Benachteiligten solidarisiert.“

NRC (NL) /

Nur kleine Schritte waren ihm möglich

Franziskus machte erste Schritte zur Reform der Kirche, meint NRC:

„Der argentinische Jesuit und Straßenpriester Jorge Mario Bergoglio sollte näher am wahren Leben stehen als sein Vorgänger Benedikt XVI. Er begann vielversprechend. ... Für diejenigen, die gerne gesehen hätten, dass Franziskus die römisch-katholische Kirche ins 21. Jahrhundert führt, waren es kleine Schritte, aber keine grundlegenden Veränderungen. Vielleicht waren sie nachvollziehbar langsam angesichts einer Weltkirche, die auch Gläubigen in konservativeren Ländern dient – wo die Kirchengemeinschaft wächst – und einer Kirche, die zudem noch konservative Opposition unter Kardinälen und Bischöfen hat.“

De Volkskrant (NL) /

Der Kirche die moralische Autorität zurückgegeben

Würdigende Worte findet De Volkskrant:

„Papst Franziskus war eine wichtige moralische Stimme in einer Welt, in der Menschen, die nicht zur eigenen Gruppe gehören, zunehmend als Feinde betrachtet werden. ... Auch unter Franziskus blieb die Kirche letztlich eine konservative Institution mit archaischen Ansichten zu Frauen, Homosexualität und anderen Themen. Dennoch hat er der Kirche mit seinem Aufruf zum Frieden und seiner unerschütterlichen Unterstützung für die Schwachen eine gewisse moralische Autorität zurückgegeben. In einer Welt, in der es allzu oft an Menschlichkeit mangelt, war Franziskus eine wertvolle Stimme. Hoffentlich wird sein Nachfolger diese Linie weiterverfolgen.“

Kronen Zeitung (AT) /

Zur richtigen Zeit das Richtige getan

Die Kronen Zeitung hofft, dass der Weg von Franziskus fortgesetzt wird:

„Ja, der Argentinier mit italienischen Wurzeln wird nicht als großer Reformer in die Geschichte eingehen, aber er hat zur richtigen Zeit das Richtige getan: Demut und Bescheidenheit vorgelebt. Abgehobenheit der Kirchenfürsten gegeißelt. Selbstverliebten Egomanen in der Kurie die Leviten gelesen. Sozial Schwachen und Menschen am Rand der Gesellschaft eine Stimme gegeben. Der Kirchenbasis aufmerksam zugehört. Dieser Weg, den Franziskus eingeschlagen hat, ist der richtige, um der Kirche auch im 21. Jahrhundert Relevanz zu geben. Bleibt nur zu hoffen, dass sein Nachfolger diesen Weg weitergeht.“

Le Soir (BE) /

Klare Worte allein reichen nicht

Le Soir kritisiert unzureichende Maßnahmen im Kampf gegen sexuellen Missbrauch:

„Zwar hat er im Umgang mit sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und Frauen, dessen Aufdeckung sein Pontifikat geprägt hat, eine klare Sprache gefunden, die Taten verurteilt und das, was zuvor unter 'Sünde' gefasst und für das gar Absolution erteilt worden war, als Verbrechen bezeichnet. Dennoch haben Papst Franziskus und seine Kirche aus der Sicht der Opfer und ihrer Anwälte nicht genug getan. Der Vatikan, der weiterhin ausschließlich seine eigenen Gesetze anerkennt, hat weiterhin Missbrauchstäter geschützt und beherbergt: Priester und Bischöfe, die in so vielen Ländern von Gläubigen angezeigt worden, die tief enttäuscht darüber sind, dass sie immer noch auf Wiedergutmachung von ihrer Kirche warten müssen.“

Salzburger Nachrichten (AT) /

Zwiespältiges Erbe

Nach Ansicht der Salzburger Nachrichten hat sich der Papst in Widersprüche verstrickt:

„Franziskus hinterlässt ein zwiespältiges Bild. Einer Einordnung ins Schema 'konservativ - fortschrittlich' entzog er sich. Einerseits öffnete er die Kirche für Homosexuelle, andererseits geißelte er Abtreibung als Verbrechen und Mord. Einerseits berief er Frauen in höchste vatikanische Verwaltungsstellen, andererseits bremste er die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern. Einerseits wies er den Weg zu einer dezentralen, synodalen Kirche, andererseits wies er die Deutschen, die den synodalen Weg besonders eifrig beschreiten wollten, harsch in die Schranken.“

Corriere della Sera (IT) /

Bitte keine Heuchelei

Zweifel, ob Franziskus' Botschaft angekommen ist, äußert Corriere della Sera:

„Wenn die Kirche auch, wie er es nannte, ein Feldlazarett ist, so starb Franziskus auf dem Feld, im Geiste des Dienens. ... Großzügig gegenüber allen, auch auf Kosten seiner eigenen Gesundheit. ... Als er sicher war, dass er nicht mehr viel Zeit vor sich hatte, schrieb er – in den Texten zum Ostertriduum – die tiefsten und erschütterndsten Worte, die eine von Kriegen verwundete Menschheit hören konnte. Heute, im Schmerz über seinen Tod, werden sie wahrscheinlich, zumindest formell, von allen gehört werden. Inwieweit sie verstanden oder geteilt werden, ist angesichts der Heuchelei in einigen Nachrufen nicht klar. 'Es braucht aufrichtige Tränen, keine aus Anstand', hatte er prophetisch geschrieben.“

Večer (SI) /

Er verlässt eine unruhige Welt

Papst Franziskus war progressiver, als es die Hardliner wollten, und traditioneller, als die Liberalen hofften, so Večer:

„Zu Beginn seines Pontifikats wurde er als Kompromiss eingeschätzt. Allerdings: ein Kompromiss, der die Tradition schützt. ... Der Papst 'vom Ende der Welt' revolutionierte, aber doch insgesamt weniger als vorhergesagt. Er starb in der Überzeugung, dass das Böse niemals über das Gute siegen würde. Und dennoch war selbst das Oberhaupt der größten Religionsgemeinschaft und ältesten Diplomatie der Welt nicht in der Lage, einen einzigen Krieg zu stoppen. Es ist lange her, dass ein Papst eine so unruhige Welt verlassen hat. Es ist lange her, dass das Leben so wenig heilig, so wenig geachtet und die Machtlosigkeit gegenüber den Göttern des Krieges so verheerend ist.“