Wer folgt auf Papst Franziskus?

Nach dem Tod von Papst Franziskus ist es an den 135 Kardinälen unter 80 Jahren, aus ihren Reihen das neue Oberhaupt der katholischen Kirche zu küren. Als Favorit gilt der Italiener Pietro Parolin, als Kardinalstaatssekretär die bisherige Nummer Zwei im Vatikan. Rund 80 Prozent der wahlberechtigten Amtsträger wurden von Franziskus ernannt. Dennoch ist für Europas Presse keineswegs ausgemacht, dass dessen Kurs fortgesetzt wird.

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La Stampa (IT) /

Ein Mann aus dem institutionellen Zentrum

La Stampa erklärt Pietro Parolins Favoritenrolle:

„Da es undenkbar ist, nach Bergoglios unvollendeter Erneuerung einen Rückschritt zu machen und das revolutionärste Papsttum der jüngeren Geschichte auszulöschen, wird es die Aufgabe des neuen Papstes sein, Lösungen zu finden für drängende Fragen und angekündigte Veränderungen, die durch die Reaktionen der 'anderen' Kirche gestoppt wurden. ... Werden Frauen früher oder später die Messe lesen dürfen? Soll die Segnung von Homosexuellen fortgesetzt werden? Werden verheiratete Priester im Haus des Herrn akzeptiert? Antworten, die Zeit und einen Waffenstillstand zwischen den Streitparteien brauchen. ... Eine solche Aufgabe erfordert Erfahrung und Wissen über das komplexe System der Kirche, das die ganze Welt betrifft. Daher die Kandidatur von Staatssekretär Parolin.“

Portal Plus (+Portal) (SI) /

Zeit für einen schwarzen Pontifex

Der Chefredakteur von +Portal, Dejan Steinbuch, erhofft sich eine weitere mutige Wahl:

„Wenn den Kardinälen beim Konklave klar wird, welche Art von Oberhaupt der Kirche für das nächste Jahrzehnt oder länger die beste Wahl ist, dann könnte ein weiteres Wunder geschehen. Vielleicht bekommen wir den ersten schwarzen Papst (erwähnt wird der guineische Kardinal Robert Sarah), womit die Kirche endlich alte Vorurteile und Traumata loswerden würde. Ich sage Wunder, weil Franziskus in gewisser Weise schon eines vollbracht hat, indem er die Prophezeiungen widerlegte, wonach der römisch-katholischen Kirche schwierige Zeiten oder sogar ein Zusammenbruch bevorstünden.“

Financial Times (GB) /

Konservative in der Pole Position

Der nächste Papst dürfte wieder aus dem globalen Süden kommen und deshalb eher kein Liberaler sein, spekuliert Financial Times:

„Die Spaltungen [zwischen Liberalen und Konservativen] werden auch das voraussichtlich intensive Ringen um Franziskus' Nachfolge prägen. Die heutige katholische Kirche ist – gemessen an ihrer Mitgliederzahl – zunehmend im globalen Süden angesiedelt. Die Kardinäle werden unter Druck stehen, wieder einen Papst aus einem nicht-europäischen Land zu wählen, der sich für Armuts- und Umweltthemen einsetzt. Doch viele Kirchenführer und -anhänger aus dem globalen Süden sind gleichzeitig wertkonservativ – im Gegensatz zu den oft liberaleren Anhängern in wohlhabenderen Ländern.“

Times of Malta (MT) /

Wesentliche Botschaften nicht verraten

Das Konklave sollte einen Nachfolger wählen, der wie Franziskus für Barmherzigkeit und Inklusion steht, appelliert Times of Malta:

„Die Kräfte des religiösen Konservatismus, die mitunter auf gefährliche Art und Weise mit extrem rechten politischen Bewegungen verbündet sind, drängen auf eine Rückkehr zu einem rigideren, ausgrenzenden Katholizismus. Ein solcher Rückzug würde nicht nur Franziskus' Erbe verraten, sondern auch die Bedeutungslosigkeit der Kirche in einer zunehmend pluralistischen Welt beschleunigen. ... Das nächste Konklave sollte anerkennen, dass es bei Franziskus' Ansatz nicht darum ging, säkularen Trends zu folgen, sondern die wesentliche christliche Botschaft von Liebe, Barmherzigkeit und radikaler Inklusion wiederzuentdecken.“

Die Welt (DE) /

Nicht wieder aufs Besondere setzen

Einen grundlegenden Kurswechsel hält die Welt für unnötig:

„Weder ein westeuropäisch liberaler Reformismus noch ein religiöser Ultrakonservatismus des 'globalen Südens' würde den Gegebenheiten gerecht, beides würde spalten. ... Sinnvoll wären jetzt Verschlankung, Konsolidierung der Arbeitsabläufe und Rückbesinnung auf das institutionell Notwendige im Vatikan, damit dieser nicht weiter Unruhe in die Weltkirche trägt. Mögen die Kardinäle im Konklave entscheiden, wie sie wollen. ... Aber wenn mal kein scheinbar Besonderer gewählt würde, der auch nichts Besonderes vorhat, sondern einfach gläubige Gemeinschaft stiften will, könnte das der Kirche guttun.“