James-Webb-Teleskop: Blick in den tiefen Kosmos
Fast sieben Monate ist es her, dass das James Webb Space Telescope (JWST) erfolgreich ins All befördert wurde. Nun haben Wissenschaftler die ersten Bilder veröffentlicht: Einen Blick ins noch sehr junge All von vor 13,5 Milliarden Jahren, möglich gemacht durch den riesigen, faltbaren Infrarotspiegel des Mammutprojekts der Weltraumagenturen von USA, Kanada und Europa. Für Europas Presse Anlass, inmitten aktueller Krisen einmal innezuhalten.
Triumph der Wissenschaft
Die 10 Milliarden Dollar für das JWST haben sich mehr als ausgezahlt, befindet The Times:
„In einer Zeit, in der es wissenschaftlicher Forschung gelungen ist, Seuchen durch die Entwicklung von Impfstoffen zu bekämpfen, sollten die Errungenschaften von Wissenschaft keiner weiteren Betonung bedürfen. Aber das hier ist ein ganz neues Level. Die Strahlung des Urknalls bewegt sich durch die Ausdehnung des Universums im Mikrowellenbereich. Diese Mikrowellen sind nicht sichtbar, und doch hat die Wissenschaft sie entdeckt. Webb kann Infrarotlicht aus der Zeit der Entstehung der ersten Sterne einfangen. Es ist ein Triumph der Wissenschaft, der beweist, dass sie weit mehr als 'gesunder Menschenverstand' ist, sondern enorm mächtig und nützlich.“
Neuorientierung durch Betrachtung der Ewigkeit
Für den Philosophen Tomasz Stawiński haben die Aufnahmen nicht nur eine wissenschaftliche Bedeutung, wie er in Tygodnik Powszechny schreibt:
„Ich denke, dass jede Sitzung aller Parlamente der Welt mit der Betrachtung dieser faszinierenden Bilder beginnen sollte. ... Bevor eine schwerwiegende Entscheidung getroffen wird, sollten Politiker, Militärs, Milliardäre, Geistliche, Manager von Großkonzernen - alle, die irgendeinen Einfluss auf die Gestaltung der irdischen Realität haben, - sich vor sie setzen. Bekanntlich bietet die Betrachtung der Welt sub specie aeternitatis - aus der Perspektive der Ewigkeit - die Chance für eine tiefgreifende innere Neuorientierung. Zweifellos würden wir alle - inmitten von politischen, wirtschaftlichen und identitätspolitischen Gegensätzen und Kriegen - heute davon profitieren.“
Nicht in Ehrfurcht erstarren
Die Bilder sollten der Menschheit als Ansporn dienen, schreibt die Süddeutsche Zeitung:
„Mit dem Blick an die Anfänge der Naturgeschichte schrumpft die irdische Lebenszeit zur Nichtigkeit. ... Doch gibt es zum Glück noch ein paar Gründe, als Menschheit nicht zu verzagen, nicht alles für vergeblich und zwergenhaft zu halten. Einer ist, dass es ja menschlicher Erfindergeist selbst ist, der derlei Einsichten in die Mysterien der Materie überhaupt erst möglich macht. ... Der zweite Grund, nicht bloß in Ehrfurcht zu erstarren, ist der, dass unsere Gattung zwar von der physischen Natur abhängt, sie aber auch überwindet. ... Das sollte nicht nur ein Trost sein, sondern weiter ein Ansporn, genau diese Erde für alle zu einem guten Ort zu machen. Im Sternennebel verschwinden wir dann früh genug.“
Forschung auch in der Krise finanzieren
Laut Le Monde ist das Teleskop ein Beweis dafür, dass man nicht an der falschen Stelle sparen sollte:
„Die wissenschaftliche Arbeit ist sicherlich Teil des Reichtums einer Nation und ihre Stärke hat Einfluss auf die Stellung eines Landes. Das sollte bei den nächsten Haushaltsverhandlungen nicht vergessen werden. Denn die Inflation wird die versprochenen Anstrengungen zur Wiederherstellung eines Gleichgewichts bald zunichtemachen.“