Orbán provoziert mit Großungarn-Schal
Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat mit einem Besuch bei einem Spiel der Fußballnationalmannschaft für Verstimmung gesorgt: Er zeigte sich am Sonntag mit einem Schal, auf dem die Grenzen des früheren Königreichs Ungarn abgebildet sind. Das umfasste Gebiete, die seit 1920 zu Nachbarstaaten gehören, darunter auch Teile der Ukraine. Kommentatoren zeigen sich empört.
Nicht auf die leichte Schulter nehmen
Pravda empfindet Orbáns Auftritt als eine revanchistische Provokation:
„Sie bedeutet nicht, dass er jetzt die ehemaligen Territorien zurückerobern will, aber das schmälert nicht die Folgen. ... Auch wenn uns ein solches Verhalten als unschuldiger Flirt mit historischen Sentimentalitäten erscheinen mag, hat es in manchen Fällen blutige Auswirkungen. Wie wir jeden Tag in der Ukraine sehen, die unter der russischen Aggression leidet. ... Auf jeden Fall hat uns Viktor Orbán noch einmal daran erinnert, dass er mehr mit Putin gemeinsam hat, als man denkt.“
Spiel mit dem Feuer
Ungarns Premier spielt dem Kreml in die Hände, rügt Népszava:
„Orbán hat verantwortungslos gehandelt und mit dem Feuer gespielt - auch weil das nicht das erste Mal war seit dem Ausbruch des Krieges, dass der Schatten des Revisionismus auf Ungarn geworfen wird. Seit dem 24. Februar hat der Kreml mehrmals darüber geredet, dass alle Nachbarländer territoriale Ansprüche an die Ukraine haben oder haben könnten. Während Rumänien und Polen das offiziell und lautstark dementiert haben, hat sich das Budapester Außenministerium bedeckt gehalten und nie ausdrücklich von diesen von den Russen verbreiteten Spekulationen distanziert.“
Zu viele Ungarn leben unter fremder Herrschaft
Für Tamás Pilhál von der regierungsnahen Magyar Nemzet ist das historische Königreich Ungarn ein wichtiger patriotischer Bezugspunkt:
„Der Westen will uns jetzt auch die Erinnerung verbieten. ... Über das abscheulichste Diktat der Geschichte [den Friedensvertrag von Trianon 1920] darf nicht gesprochen, nicht mal gedacht werden. ... Ich habe schlechte Nachrichten für solche Leute: Je mehr sie das Gedenken verbieten wollen, mit desto mehr Schals, Fahnen und Landkarten werden wir deutlich machen, dass wir Trianon niemals vergessen und niemals vergeben werden. Und wir werden unsere Brüder und Schwestern, die unter fremde Besatzung gezwungen wurden, niemals alleine lassen.“
Das erzeugt Spannungen
Denník N reagiert genervt:
„Es ist schwer zu verstehen, dass die ungarische Führung wirklich nicht begreift, warum die Nachbarn ihr Spiel mit solcher in die Gegenwart übertragenen ungarischen Symbolik nicht mögen. ... Man stelle sich vor, wie die Reaktion ausfallen würde, wenn der deutsche Bundeskanzler mit einem Schal mit den historischen Grenzen Deutschlands von vor 1945 erscheinen würde oder wenn der russische Präsident für eine Karte werben würde, die die baltischen Republiken oder andere postsowjetische Länder einschließt. Nur weil der Anführer des kleinen Ungarn es tut, ist es nicht weniger dumm.“