Schweiz: Wachsende Kritik an Neutralität
Aus der traditionell neutralen Schweiz wird die Ukraine weiterhin keine Waffen bekommen. Der Nationalrat sprach sich am 8. März zwar mit knapper Mehrheit dafür aus, Lieferungen zu erlauben - aber nur, wenn der UN-Sicherheitsrat den Überfall auf die Ukraine verurteilt, was wegen Russlands Vetorecht faktisch unmöglich ist. Gesuche etwa Spaniens und Dänemarks nach indirekten Lieferungen wurden entsprechend abgelehnt. Die Landespresse stöhnt.
Peinlicher Soloauftritt
Die Schweiz isoliert sich mit ihrem Beharren zunehmend, ärgert sich Le Temps:
„Während sich alle Mitglieder des demokratischen Europas für die Unterstützung der ukrainischen Verteidigung, einschließlich der militärischen Verteidigung, einsetzen, bringt die Schweiz – und sie ganz alleine – ihre Solostimme zur Geltung. Selbst wenn sich die Bevölkerung der Idee anschließt, ihren Nachbarn unter die Arme zu greifen, ducken sich die Schweizer Abgeordneten weg - aus Gewohnheit, politischem Kalkül, aus Mangel an Visionen oder Mut. ... Am Ende dieser Woche kann Europa nur feststellen, dass die Schweiz sich souverän für die Nicht-Solidarität entschieden hat. Diese Entscheidung wird ihren Preis haben.“
Neutralitätskonforme Regelung ist möglich
Nach Meinung des Tages-Anzeigers liegt es nicht in der Verantwortung der Schweiz, was Drittstaaten mit ihren Rüstungsgütern anstellen:
„Viele tun sich schwer mit der Ausfuhr von Kriegsmaterial. Aber das Trauerspiel, das wir derzeit erleben, müsste nicht sein. Man könnte die Erklärung über die Nicht-Wiederausfuhr im Kriegsmaterialgesetz schlicht streichen. Der Grundsatz muss lauten: Die Schweiz liefert keine Waffen an kriegführende Parteien. Dafür übernimmt sie die Verantwortung. Was jedoch die Abnehmer von Schweizer Rüstungsgütern später damit machen, liegt in deren Verantwortung. Das wäre eine klare und neutralitätskompatible Regelung.“
Schweden als Vorbild
Die Neue Zürcher Zeitung schlägt eine andere Lösung vor:
„Wer die Schweiz konsequent als Teil der freien Welt positionieren will, muss ... einen Schritt vorwärts machen. Natürlich kommen eine Aufgabe der Neutralität und ein Nato-Beitritt nicht infrage. Mutig, befreiend und konsequent wäre aber eine Orientierung an dem Modell, das Schweden nach 1989 praktiziert hatte: Die Schweiz bleibt militärisch bündnisfrei, pflegt weiterhin eine ausgeprägte Neutralitätspolitik, verzichtet aber auf die fixe Bindung an das Neutralitätsrecht. ... Eine fortschrittliche Neutralität ist wohl noch nicht mehrheitsfähig, aber doch das Gegenmodell zum neutralen Stillstand.“