Braucht es eine grundlegende Reform der UN?
Die schwelende Debatte über Macht und Ohnmacht der Vereinten Nationen hat durch den Ukraine-Krieg neuen Auftrieb bekommen. Vor allem Kyjiw kritisiert angesichts von Russlands Veto-Recht als ständigem Mitglied die Zahnlosigkeit des Sicherheitsrates und fordert eine generelle Reform der UN. Auch der Menschenrechtsrat steht - trotz der Suspendierung der russischen Mitgliedschaft – in der Kritik.
So wie bisher taugt dieses Forum nicht
Entweder wird die globale Sicherheitsarchitektur reformiert, oder die UN haben keine Existenzberechtigung mehr, meint Rustem Umerow, Rada-Abgeordneter der Partei Golos, in der Ukrajinska Prawda:
„Heute fordert die Ukraine von der internationalen Gemeinschaft drei klare Maßnahmen: Entzug des Vetorechts Russlands im UN-Sicherheitsrat, Aussetzung der Mitgliedschaft Russlands in den UN und eine Reform des UN-Sicherheitsrates als Ganzem. Mit seinem Vetorecht verhindert Russland, dass internationale Gremien tätig sein können. Dies lässt große Zweifel an der Existenz solcher internationaler Foren aufkommen, die in Wirklichkeit völlig handlungsunfähig sind. Es gibt nur wenige Auswege aus dieser Situation: Reformen oder die Frage, ob solche Plattformen wie die UN überhaupt noch gebraucht werden.“
Der Menschenrechtsrat ist Heuchelei
Schon allein die Mitgliedschaft von Ländern wie China, Libyen, Eritrea, Pakistan, Katar und Venezuela macht den Menschenrechtsrat zu einem nutzlosen Gremium, wettert La Stampa:
„Das Problem ist nicht, ob diese Länder sich der Stimme enthalten oder gegen die Resolution zum Ausschluss Russlands gestimmt haben. Das Problem ist: Warum sind sie dort, in diesem Rat? Mit welchem Recht? Im Namen von was? ... Könnte für solche Schurkenstaaten, deren illegale Praktiken bekannt sind, nicht sofort der Mechanismus angewandt werden, der mit sakrosankter Schnelligkeit gegen Russland verwendet wurde? Hat in 16 Jahren kein Vertreter der Demokratien jemals einen Anflug von Anstand und Peinlichkeit verspürt, wenn er bei Diskussionen über Menschenrechte neben diesen Ländern sitzt?“
Die Milliarden nicht wert
Die Uno muss sich verändern, denn tut sie das nicht, ist sie sinnlos, glaubt der Politologe Wolodymr Fessenko in NV:
„Die seit Jahrzehnten diskutierte Krise der Effizienz der Vereinten Nationen ist nun in eine akute Phase eingetreten. Dabei geht es insbesondere um die Frage der Fairness des Entscheidungsfindungsmechanismus im UN-Sicherheitsrat. Ein Land, das ständiges Mitglied ist und gegen jeden Beschluss dieses Rats ein Veto einlegen kann, verstößt nicht nur grob gegen das Völkerrecht (das haben wir 2014 gesehen), sondern hat auch einen groß angelegten blutigen Krieg gegen einen Nachbarstaat begonnen. ... Wenn die Uno in ihrer jetzigen Form bestehen bleibt, wird es ihr ergehen wie dem Völkerbund. ... Und dann ist sie die Milliarden nicht wert, die für ihre Existenz ausgegeben werden.“
Kein Zurück zum Recht des Stärkeren
Der Kritik des ukrainischen Präsidenten an den Vereinten Nationen ist zuzustimmen, findet Expressen:
„Selenskyj hat recht damit, dass Putins Krieg nicht nur die Ukraine bedroht, sondern die gesamte auf Regeln fußende Weltordnung. Ohne internationale Rechtsgrundsätze werden wir in eine Zeit zurückgeworfen, in der das Recht des Stärkeren gilt. Eine düstere Zukunft für kleine Länder wie beispielsweise auch Schweden. Leider ist offensichtlich, dass die UN mit internationalen Konflikten nicht klarkommen, in die eine Großmacht involviert ist. In einer neuen Ära der Großmachtpolitik verheißt das nichts Gutes.“
Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten
Die vielen Vetos Russlands haben den Sicherheitsrat handlungsunfähig gemacht, meinen die Salzburger Nachrichten:
„Veto, Veto und nochmals Veto - 263 Mal ist bisher im UN-Sicherheitsrat eine Resolution durch ein Veto verhindert worden. Fast die Hälfte der Vetos kam von Russland. … Kann man die Vereinten Nationen dann gleich abschaffen, weil ein zentrales Organ nicht funktioniert? Nein. UN-Resolutionen haben die Abschaffung der Apartheid in Südafrika bewirkt. 51 Friedensmissionen wurden seit der Gründung beendet, darunter so erfolgreiche wie im Kosovo. … Der UN-Sicherheitsrat ist aus der Zeit gefallen - eine Reform überfällig. Andere Werkzeuge aber funktionieren. Sie sind die Überbleibsel einer edlen Idee und nicht zu unterschätzen.“