Chinas Paris-Botschafter empört Ex-Sowjetrepubliken
Chinas Botschafter in Frankreich hat für Empörung in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gesorgt: Lu Shaye sagte in einem TV-Gespräch, diese hätten im Völkerrecht keinen "wirksamen Status". Es gebe "kein internationales Abkommen, das ihren Status als souveräne Nation festlegt". Kommentatoren diskutieren, ob wohl auch andere in der Pekinger Elite so denken.
So tickt also das chinesische Establishment
Der Vorfall hatte immerhin auch positive Auswirkungen, meint der einstige stellvertretende ukrainische Außenminister Danylo Lubkiwskyj auf Censor.net:
„Erstens zwang die internationale Reaktion Peking, die absurden und verwirrenden, aber nicht weniger schädlichen Worte seines Vertreters in Paris zu dementieren. Zweitens hat die Offenheit des chinesischen Botschafters einem breiten Publikum die wahre Haltung des Establishments, dem er angehört, vor Augen geführt. Unsere Diplomaten hätten unsere Kollegen aus dem 'globalen Süden' darauf aufmerksam machen müssen, dass es sich hier keineswegs um eine neutrale Position und moralische Überlegenheit handelt, sondern um eine klare politische Voreingenommenheit und Parteilichkeit.“
Das ist nicht Pekings Linie
Mit seinen Äußerungen hat sich Lu ins Abseits manövriert, beobachtet der Ex-KGB-Agent Juri Schwez in gordonua.com:
„Selbst chinesische Zeitungen waren über Lu Shayes Äußerungen empört. So etwas zu einem so ungünstigen Zeitpunkt zu äußern! Er wird daran erinnert, dass China 1991 die Unabhängigkeit der Ukraine und 1994 mit der Unterzeichnung des Budapester Memorandums ihre Grenzen anerkannt hat. China als Atommacht hat dies damals gebilligt.“
Für China ist Moskaus Partnerschaft wichtiger
China sieht offenbar keinen Grund, sich auf die Seite der Ukraine zu schlagen, meint Politika:
„China ist neben den USA einer der Gewinner des Krieges und hat wie jene keinen Grund, den Krieg zu beenden, obwohl es wahrscheinlich das einzige Land ist, dass den Kreml mäßigen könnte. Es ist illusorisch, dies zu erwarten. ... Der chinesische Friedensplan wurde lanciert, um über die künftige Weltordnung zu sprechen. Die Ukraine war der Anlass, jedoch kein Grund für Peking, es sich mit Moskau zu verderben. ... Kyjiw steht angesichts von Xis Ambitionen auf der falschen Seite. ... Es passt nicht in die chinesisch-russische Strategie der Zusammenarbeit für eine 'neue Ära' einer multipolaren Welt. Friedensgespräche sollte man dieses Jahr nicht erwarten und auch keine Reise Xis nach Kyjiw.“
Souveränität ist kein diplomatisches Spielzeug
In Le Monde fordern knapp 80 europäische Parlamentarier die französische Außenministerin Catherine Colonna auf, den Botschafter zur Persona non grata zu erklären:
„Es ist nicht die Sache Chinas - und auch keiner anderen Nation -, die Souveränität anderer Staaten in Frage zu stellen. Souveränität ist kein diplomatisches Spielzeug, sondern das grundlegende Element internationaler Beziehungen, des Völkerrechts und der UN-Charta. In einer Zeit, in der in Europa ein Krieg tobt, ist es zwingend notwendig, dass die demokratische Welt eine klare Botschaft an solch autoritäre Staaten sendet, um die Souveränität unserer Verbündeten zu verteidigen. … Wir fordern Sie deshalb auf, Botschafter Lu Shaye als Reaktion auf sein völlig inakzeptables Verhalten zur Persona non grata zu erklären.“
Peking muss den Schaden begrenzen
Außenpolitikexperte Arkadi Dubnow sieht in einem von Echo übernommenen Telegram-Post unnötig zerschlagenes Porzellan:
„Der chinesische Botschafter hat in seiner pro-chaotischen Offenheit die Aussicht auf einen gemeinsamen Xi-Macron-Friedensplan für die Ukraine noch weiter in die Ferne gerückt. Kyjiw wird China erneut verdächtigen, ein doppeltes Spiel zu treiben - weniger zugunsten eines Friedens für die Ukraine, sondern vielmehr, um Europa zu spalten, indem es Paris zu seinem Einflussagenten macht. Es wird nun interessant sein zu verfolgen, wie Peking versuchen wird, den Schaden, den sein Botschafter der sorgfältig austarierten Politik von Präsident Xi zugefügt hat, in Abrede zu stellen. “