Rumänien und der Fall Ursu: Aus der Vergangenheit nichts gelernt?
Der Oberste Gerichtshof (OGH) Rumäniens hat zwei frühere Offiziere der Geheimpolizei Securitate freigesprochen. Ihnen wurde vorgeworfen, 1985 an der Ermordung des Regimekritikers Gheorghe Ursu in Untersuchungshaft beteiligt gewesen zu sein. Das Institut für die Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen (IICCMER) reagierte bestürzt. Auch die Kommentatoren können das Urteil und dessen Begründung kaum fassen.
Erschreckende Kontinuität
Der Freispruch der beiden früheren Securitate-Offiziere zeugt von wenig Geschichtsbewusstsein, findet Verfassungsrechtler Ioan Stanomir bei Contributors:
„Die Richter im Jahr des Herrn 2023 folgen dem Gedankengang der Richter, die den legalen Mord von damals zu verantworten haben. … Der Ingenieur Ursu wird ein zweites Mal vom rumänischen Staat verurteilt. Die Kontinuität ist schrecklich und beunruhigend. ... Das Urteil des OGH ist ein Lackmuspapier: Es offenbart die Komplizenschaft im rumänischen Staat. Der Freispruch der Folterknechte ist Ausdruck einer moralischen Entscheidung. Das heutige Rumänien hat zwischen den Opfern und den Tätern der kommunistischen Repression gewählt und ist solidarisch mit dem Staat, der illegitim und verbrecherisch ein halbes Jahrhundert herrschte.“
Mindestens fahrlässiges Unwissen
In der Begründung halten die Richter im Kern fest, dass die Securitate 1985 Dissidenten nicht mehr systematisch verfolgte. Radio Europa Liberă findet das schockierend:
„Die Begründung zeigt, dass sie zu wenig verstehen vom kommunistischen System, von den repressiven Mitteln, mit denen die Securitate und das Regime die Bevölkerung unter Kontrolle hielten. Eine Kontrolle durch Angst und Verletzung sämtlicher Rechte des Einzelnen, die dennoch in Gesetz und Verfassung verankert waren. Wie ist das zu erklären: Ignoranz, Vorsatz, Verinnerlichung der Propaganda von vor und nach der Wende? Die Richter hätten sich aus sehr vielen Quellen über die Verbrechen des Kommunismus informieren können.“