EU-Kommission rudert bei Pestizidverordnung zurück
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zieht die geplante Verordnung zur Verringerung von Pestiziden zurück. Das erklärte sie am Dienstag beim Vorstellen der EU-Klimapolitikziele vor dem EU-Parlament. Europas Presse analysiert die Entscheidung im Zusammenhang mit den Bauernprotesten und den Wahlen im Juni.
Genau hinschauen und Antworten mit Substanz liefern
Statt einfach nur Zugeständnisse an die Landwirte zu machen, sollte man sich ernster mit den Motiven für die Proteste auseinandersetzen, fordert El Periódico de Catalunya:
„Abgesehen von den strukturellen gibt es auch emotionale Gründe. ... Und nicht alle sind das Resultat politischer Instrumentalisierung, bei der das Land zum bewaffneten Flügel der Klimawandelleugner gemacht wird (wie das die europäischen und spanischen Rechtsradikalen versuchen). ... Was Sorge macht, ist die Tatsache, dass die einzige Antwort auf die Forderungen der Landwirte die ist, die Umweltpolitik zu lockern. Das hat der Verzicht der EU auf die Verringerung von Pflanzenschutzmitteln gezeigt: bedauerlicherweise ein direktes Wahlkampfthema. Es sollte viel mehr substanzielle Antworten geben.“
Keine Wahlkampfgeschenke, bitte!
Es ist bedauernswert, dass Entscheidungen in einem so sensiblen Thema durch wahltaktische Manöver beeinflusst werden, so republica.ro:
„Die politische Elite in Brüssel muss begreifen, dass die europäische Zukunftspolitik nicht wenige Monate vor den Wahlen diskutiert oder geregelt werden kann. Denn dann ist die Gefahr ihrer Politisierung extrem hoch. Dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in der Umweltpolitik einen Schritt zurück macht, ist Teil einer umfassenderen Reduzierung der umweltpolitischen Ambitionen der EU-Kommission, um die Landwirte zu beschwichtigen. Denn sie sind für die Mitte-Rechts-Partei EVP, der die Kommissionschefin angehört und die nach den Wahlen in diesem Sommer die stärkste Fraktion im EU-Parlament bleiben will, eine wichtige Wählergruppe.“
Plumpes Anbiedern
Nun buhlen alle um die Stimmen der Bauern, schimpft La Stampa:
.„Ursula von der Leyen kündigte zunächst eine weitere Verlängerung der Aussetzung der vier Prozent Stilllegungsverpflichtung im Rahmen der neuen GAP zur Förderung der biologischen Vielfalt an. Darauf folgte die Rücknahme des Vorschlags für eine Verordnung über Pestizide. Die Gründe, die von der Leyen für diese Revisionen anführt, laufen Gefahr, Anzeichen für leicht zu gängelnde europäische Institutionen zu sein. ... Die Tatsache, dass sich die Präsidentin der Europäischen Kommission bereits im Wahlkampf befindet, setzt sie der Kritik aus, nur plump um die Wähler des Agrarsektors zu buhlen und anderen politischen Akteuren, die sich bereits der Sache der Landwirte angenommen haben, hinterher zu hinken“
Nicht das erste Einknicken
Die von der EU-Kommission 2020 vorgestellte umfassende Farm-2-Fork-Strategie verwässert immer mehr, bedauert Webportal Crisis Monitor:
„Unter dem Druck von Konservativen und Lobbyisten wurde die Strategie schrittweise abgeschwächt und auf das absolute Minimum reduziert. Letztes Jahr beschloss die Kommission, den 'Sustainable Food Act' aufzugeben, der das Rückgrat der Vorzeige-Lebensmittelpolitik der EU bilden sollte. ... Andere geplante und als kontrovers angesehene Rechtsvorschriften für die Landwirtschaft legte von der Leyens Team letztlich gar nicht erst vor, wie etwa neue Vorschriften für den Tierschutz in der Landwirtschaft und eine europaweite Nährwert-Kennzeichnung von Lebensmitteln.“
Wichtiger Baustein fehlt nun
Der Rückzieher der EU-Kommission schadet der Umwelt, kritisiert Der Standard:
„Die geplante Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (SUR) ist ein wichtiger Baustein im Green Deal. Der Einsatz von Ackergiften sollte bis 2030 um die Hälfte reduziert werden. Pestizide töten Schädlinge, aber sie fügen auch der Umwelt und der menschlichen Gesundheit Schaden zu. Deswegen soll weniger verwendet werden. ... Die Kommission hat geliefert – und kam zum Schluss, dass eine Beschränkung weder die Ernährungssicherheit gefährde noch die Kosten für die Landwirtschaft nicht zu stemmen seien. Nun wird die Entscheidung auf die lange Bank geschoben. Den Druck, grüner zu werden, wird das von den Landwirten nicht nehmen.“