Wie steht Ankara tatsächlich zu Israel?
Im September 2023 herrschte zwischen Israels Premier Netanjahu und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan noch freundschaftliche Stimmung. Damit ist es vorbei, seit sich die Türkei nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg klar auf die Seite der islamistischen Terrororganisation gestellt hat. Laut türkischer Medien ist Erdoğans Positionierung aber nicht so klar, wie sie zunächst scheint.
Verpasste Chance beim IGH
In T24 schreibt Rıza Türmen, ehemaliger Richter am EGMR:
„Es gab Demonstrationen und Versammlungen, bei denen gegen Israel protestiert wurde. Regierungsvertreter, vor allem der Präsident, hielten Reden, in denen sie Israel verurteilten. ... Der Staatspräsident sagte: 'Die Türkei ist bereit, sich in Gaza zu engagieren'. Daraus wird deutlich, dass die Türkei eine aktive Rolle im Gaza-Konflikt spielen will. Sie ist bestrebt, an den Friedensgesprächen teilzunehmen. ... Hätte die Türkei dann nicht im Prozess vor dem IGH intervenieren müssen? ... Wäre sie dem Verfahren beigetreten, hätte sie das Recht gehabt, bei den Anhörungen schriftliche und mündliche Stellungnahmen abzugeben. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, Einfluss auf den IGH zu nehmen, indem sie ihre Meinung zum Thema Völkermord äußert. Doch die Türkei hat diese Gelegenheit nicht genutzt.“
Es gibt nicht einmal Wirtschaftssanktionen
Viele Konservative in der Türkei halten Ankaras Engagement im Gaza-Konflikt für unzureichend, beobachtet Karar:
„Die AKP-Regierung drückt sich in der Gaza-Frage im Gegensatz zu ihren harschen Äußerungen der vergangenen Jahre derzeit milder aus und verfolgt eine gemäßigte Politik, die von plötzlichen Reaktionen wie dem Abzug des Botschafters absieht und stellt damit islamische und konservative Kreise nicht zufrieden. ... Während einige die Regierung direkt für ihre Passivität kritisieren, richtet sich die Hauptkritik auf den anhaltenden Handel mit Israel. ... Warum nicht einmal ein Schritt wie die Einstellung des Handels eingeleitet wird, der allein von der Entscheidung der Türkei abhängt, das können sich nicht einmal die entschiedensten Befürworter der Regierung erklären.“