Spanien: 20 Jahre nach dem Anschlag auf Madrid
Trauriger Gedenktag in Spanien: Am 11. März 2004 kamen bei einem islamistischen Anschlag auf Nahverkehrszüge in Madrid 191 Menschen ums Leben. Bei den zehn Explosionen wurden zudem über 1.800 Personen verletzt. Kommentatoren der Landespresse reflektieren über die Polarisierung, zu der das Attentat und Reaktionen von Politikern geführt haben.
Zusammenbruch des gesellschaftlichen Konsens
Für El Mundo ist das Datum der Beginn der politischen Spaltung im Land:
„Die Gefühle der Trauer, Einigkeit und Solidarität, die unmittelbar auf die Tragödie folgten, wurden bald von einem politischen Krieg pervertiert. ... Der Konsens über die moralischen Grundlagen des Zusammenlebens brach in den 72 Stunden nach dem Anschlag zusammen. Die Regierung des [konservativen] Aznar war nicht in der Lage, den anfänglichen Fehler der Polizei zu überwinden, die auf die Eta verwiesen hatte. ... [Oppositionsführer] Zapatero beschuldigte die PP als 'Mörder'. ... Die Konfrontation war enorm. Und die Kluft zwischen der Rechten und der Linken ist seitdem sehr tief.“
Saat für die Polarisierung gelegt
El País beklagt gravierende Manipulationen:
„Nach der Wahlniederlage gegen José Luis Rodríguez Zapatero nährte die PP eine Verschwörungstheorie, um sich im Nachhinein zu rechtfertigen, selbst als die Gerichte 2007 die Wahrheit festgestellt hatten. ... Diese Kampagne hat die Saat für die bis heute anhaltende Polarisierung gelegt. Es ist dramatisch, dass sie durch die grausame und unverantwortliche Manipulation von zwei der größten Tragödien entstanden ist, die Spanien seit dem Bürgerkrieg erlebt hat: den Eta-Terrorismus und das Attentat vom 11. März. Diese Spaltung kam nicht aus der Gesellschaft, sie wurde von Politikern und Journalisten fabriziert. ... Heute sehen wir in den USA, wie systematische Lügen die Demokratie zersetzen. Auch das hat mit der Unfähigkeit zu tun, eine Wahlniederlage zu verkraften.“
Lüge als Mittel zum Machterhalt etabliert
Damals begann die Ära der Desinformation, konstatiert El Periódico de Catalunya:
„Die katastrophale Kommunikation der Regierung von José María Aznar, die damals auf der Eta-Hypothese beharrte, führte zur Normalisierung der Lüge in der Politik als Mittel zum Machterhalt. ... Doch neben dieser Art, Politik zu machen, ermöglichte der unerwartete Einzug von [Sozialdemokrat] Zapatero ins Amt des Premiers die Aufnahme einiger Themen in die politische Agenda, die seither die Polarisierung verschärft haben. ... Die Gesetze zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Förderung der Gleichstellung, das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe und das zum historischen Gedenken lösten Proteste aus, die von einer PP angeheizt wurden, die sich zu Unrecht von der Macht verdrängt fühlte.“