Spanien: Wie weiter nach dem rechten Wahlsieg?

In Spanien hat die konservative PP bei den Kommunal- und Regionalwahlen am 28. Mai mit 31,5 Prozent der Stimmen gewonnen. Zweiter wurden die Sozialisten von Premier Pedro Sánchez mit 28,2 Prozent, Dritter die rechtsextreme Vox. Infolge deutlicher Verluste der linken Parteien zog Sánchez die spanische Parlamentswahl vom Dezember auf den 23. Juli vor. Die Presse sieht Spaniens Parteienlandschaft und Europas Rechte im Umbruch.

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Diário de Notícias (PT) /

Rückkehr zum Zweikampf der alten Volksparteien

Diário de Notícias erwartet, dass die traditionellen Volksparteien gestärkt aus der Parlamentswahl hervorgehen könnten:

„Der spanische Regierungschef will der Bremsklotz für den Vormarsch der Konservativen nicht nur in Spanien, sondern auch in Europa sein. ... Einerseits wird er versuchen, die Sozialisten zu mobilisieren, die am Sonntag zu Hause geblieben sind. Andererseits wird er versuchen, Stimmen von der Linken zu gewinnen, indem er auf die Bedeutung jeder einzelnen Stimme [für die Sozialisten] hinweist... Nach fast einem Jahrzehnt des Umbruchs im spanischen Parteiensystem mit großen Wahlverlusten für die PSOE und die PP und Phänomenen wie Podemos, Ciudadanos und Vox könnten die nächsten Wahlen eine Art Rückkehr zum traditionellen PSOE-PP-Zweikampf darstellen.“

The Guardian (GB) /

Rechte europaweit im Aufwind

Nicht nur in Spanien etablieren sich autoritäre nationalistische Bewegungen als fixe Bestandteile des jeweiligen politischen Systems, bemerkt The Guardian:

„Die Wahlen im Sommer in Spanien haben wichtige Auswirkungen auf Europa als Ganzes. Eine überwältigende Mehrheit der Spanier möchte Vox nicht an der Macht sehen. Doch die jüngsten Wahlen in Italien, Schweden und Finnland zeigen, dass autoritäre Nationalisten, die darauf abzielen, eine einwanderungsfeindliche Stimmung zu schüren, Kulturkriege zu führen und die Rechte von Frauen und Minderheiten einzuschränken, in den westeuropäischen politischen Systemen zu einem bestimmenden Merkmal werden und nicht nur ein kurzzeitiger Störfaktor sind.“

El País (ES) /

Europa sieht genau hin

El País fordert schärfere Profile von den Volksparteien:

„Pedro Sánchez muss den Fokus der Debatte auf die sozialen und arbeitsrechtlichen Fortschritte lenken. Sie sind neben Spaniens neuem internationalen Einfluss das Rückgrat seiner Regierung. ... Die PSOE muss wieder als Mehrheitspartei wahrgenommen werden, die quer durch die Gesellschaft überzeugen kann. ... Die PP hat ein anderes Problem: Sie will sich ideologisch den Rechtsradikalen gegenüber nicht positionieren. ... Wie sie sich auch entscheidet, Europa sieht genau hin. Denn im Brüsseler Parlament bekriegen sich der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, und die Christdemokratin und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Weber will die Beziehungen zur extremen Rechten normalisieren, von der Leyen lehnt jedes Entgegenkommen ab.“

In (GR) /

Ayuso auf Erfolgskurs

In.gr prophezeit der konservativen PP und insbesondere der Madrider Regionalpolitikerin Ayuso eine glänzende Zukunft:

„Man beachte, dass die Kampagne der Isabel Díaz Ayuso von Miguel Angel Rodriguez geleitet wird, der den farblosen, schlaffen José María Aznar zwei Amtszeiten lang an der Macht hielt. ... Sollte Sánchez' Trick (vorgezogene Neuwahlen am 23. Juli in einem letzten Versuch, die spanische Linke auf seine Seite zu ziehen) scheitern, steht also nichts im Wege, dass die schöne Isabel Díaz Ayuso in Zukunft die erste Premierministerin des größten Landes der Iberischen Halbinsel wird.“

Telos (FR) /

Sánchez sichert sich eine gute Stellung

Das Land findet zu traditionellen Strukturen zurück, beobachtet der Historiker und Spanien-Experte Benoît Pellistrandi in Telos:

„Sánchez erklärt die Koalitionsregierung mit Podemos für beendet und hofft, sich im Verlauf des Wahlkampfs eine politische Jungfräulichkeit zu verschaffen, die er dringend braucht. Die extreme Linke überlässt er ihrem Schicksal. Die PSOE kann das linke Spektrum nunmehr vollständig dominieren. Und selbst wenn er die Wahl verlieren sollte, hätte er die PSOE als Partei gerettet und würde sie für den nächsten Regierungswechsel ideal positionieren. Im Übrigen ist nichts frappierender als die langsame Wiederherstellung des Zweiparteiensystems in Spanien. 2015 erklärte man es für tot. Es ist nun aber wieder zum Hauptprinzip des Systems geworden.“

Público (ES) /

Überraschend, respektlos und unverständlich

Público versteht Sánchez nicht:

„Die Entscheidung ist überraschend, er hätte die Strategie eigentlich mit seinem Kabinett absprechen sollen. ... Sie wirkt auch respektlos Stadträten, Parlamenten und Regionalregierungen gegenüber, deren Konstituierung nun mit Neuwahlen zusammenfällt. Und sie hat unvorhersehbare Auswirkungen auf die europäische Ratspräsidentschaft [ab Juli 2023]. Wie soll die mit dieser vorübergehend geschäftsführend amtierenden Regierung umgesetzt werden? ... Wahlen auszurufen, wenn der Gegner stark und mächtig ist, scheint außerdem politisch unverständlich. Ebenso unverständlich ist es, dass er auf dieses halbe Jahr verzichtet, in dem er das Erreichte zur Geltung bringen könnte.“

El País (ES) /

Letzte Kugel abgefeuert

Die linken Parteien müssen sich jetzt schnell zusammenraufen, betont El País:

„Das Desaster für die Linke war durchschlagend. ... Podemos hat in Madrid und Valencia verloren, und das linke Spektrum erleidet generell einen Rückschlag. ... Der von Sánchez beschlossene Vorstoß fängt nicht nur das Echo der PP-Euphorie ab, sondern verhindert auch eine blutige Schlacht der Linksparteien: Sie haben nur 10 Tage Zeit um zu entscheiden, ob sie gemeinsam antreten werden. ... Um die derzeitige Regierungskoalition wiederherzustellen, braucht es Verantwortung, Reife und politischen Pragmatismus, zu der die Linke bislang weder bereit noch fähig war. ... Sánchez hat die letzte Kugel abgefeuert, um den Sturz der Sozialisten und eine Agonie der Linken zu seiner Linken zu verhindern.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Wahl zwischen Vergangenheit und Zukunft

Mit der Ankündigung der Neuwahlen beweist Sánchez Mut, lobt Spanien-Korrespondent Reiner Wandler in der taz:

„Sánchez hatte nur eine Chance und er nutzt sie. Er will endlich wieder von Politik reden, statt von ideologischen Gespenstern wie der Zerstörung Spaniens durch eine längst nicht mehr aktive bewaffnete Organisation namens Eta. ... Denn darum geht es: traditionell, machohaft, für ein uniformes, katholisches Spanien mit Stierkampf, das keine sexuellen Minderheiten und keine Regionalsprachen kennt – einheitlich und groß, wie es Franco ausdrückte – oder modern, vielfältig, bunt, sozial, plurinational, Vorreiter bei Rechten für alle. Vergangenheit oder Zukunft – am 23. Juli wird sich Spanien festlegen müssen.“

La Repubblica (IT) /

Keine natürliche Schwankung

La Repubblica fragt sich:

„Ist dies ein normaler politischer Wandel im Rahmen der natürlichen Schwankungen der öffentlichen Meinung in einer Demokratie, oder handelt es sich um ein neues Phänomen, das langfristige strukturelle Folgen haben kann?... Die beruhigende Version der natürlichen Schwankung lässt eine wichtige politische Neuerung außer Acht, die sich aus dem jüngsten Erfolg der europäischen Rechten ergibt. ... Denn von Italien bis Spanien, von Schweden bis Finnland wird die Niederlage der Linken neben dem Aufschwung der EVP-nahen Parteien auch von einem zum Teil durchschlagenden Erfolg der extremen Rechten begleitet, die sich im traditionellen christdemokratischen Moderatismus nicht wiedererkennt.“

L'Opinion (FR) /

Rechte im Wandel

Der Wahlausgang in Spanien bestätigt einen klaren Trend in Europa, analysiert L'Opinion:

„Die Rechte siegt und wandelt sich. In ganz Europa scheint die Grenze zwischen rechts und rechtsextrem allmählich zu verwischen. Die häufig sozialere radikale Rechte wird zum Mainstream, indem sie ihre antieuropäische Rhetorik ablegt. Die klassische Rechte übernimmt ihrerseits im Wesentlichen die Position ihrer Rivalin beim Thema Migration. … In Italien regiert eine Erbin der neofaschistischen Strömung, ohne Wellen zu schlagen. In Schweden und Finnland sind die rechtspopulistischen Parteien in der Regierungskoalition. Morgen auch in Spanien? Dass Dänemark der rechten Welle standhält, liegt auch daran, dass die regierende Linke dort eine gegen Zuwanderung gerichtete Politik betreibt.“