Europawahlkampf in Ungarn: Krieg oder Frieden
Die Fidesz-Partei von Ungarns Premier Viktor Orbán hat ihren gesamten Europawahlkampf auf das Thema Krieg in der Ukraine zugeschnitten: Die Mehrheit der europäischen Länder sei für den Krieg, während die ungarische Regierung für Frieden sei und ein schnellstmögliches Ende des Krieges fordere, einschließlich eines Stopps der westlichen Waffenlieferungen. Regierungskritische Landesmedien nehmen diese Strategie unter die Lupe.
Unmoralische Haltung
Orbáns Strategie bringt Ungarn nicht einmal wirtschaftliche Vorteile, kritisiert Népszava:
„Der Frieden, für den die Regierung seit Beginn des Krieges in der Ukraine so leidenschaftlich kämpft, bedeutet freilich etwas ganz anderes als die ursprüngliche Bedeutung des Wortes: Die Ukraine soll kapitulieren und ihre wertvollsten Gebiete sowie ihre Freiheit aufgeben, die Art der Gesellschaft zu wählen, die sie aufbauen will. ... Diese unmoralische Haltung scheint sich vorläufig finanziell 'auszuzahlen': So wird Ungarn von der wirtschaftlichen Last der Unterstützung der Ukraine befreit und ist einer der letzten Nutznießer der – angeblich – billigeren russischen Rohstoffe. ... [Jedoch] ist es der Fidesz-Regierung trotz dieser unfairen Vorteile gelungen, alle relevanten Wirtschaftsindikatoren zu verschlechtern.“
Nur der Stammwähler zählt
Orbáns Kampagne verrät, dass er eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet, meint Válasz Online:
„Die 'Operation Tolstoi', also die Strategie, die Wahl verlogen zu einer Wahl zwischen Krieg und Frieden zu simplifizieren, ist eher eine gut durchdachte Antwort auf die politische Ausgangslage. Diese Strategie folgt aus der Erkenntnis, dass es dieses Mal, da die Unentschlossenen keine Rolle spielen, nur darauf ankommt, das eigene Lager zu begeistern – man muss ihnen Angst machen, damit sie glauben, dass es bei dieser EP-Wahl um Leben und Tod geht. Und da ihre Reizschwelle 'dank' der früheren Kampagnen hoch ist, spielt der gesunde Menschenverstand jetzt wirklich keine Rolle ... Viktor Orbán rechnet damit, dass die Wahlbeteiligung niedrig sein wird.“