Türkischer EM-Torschütze zeigt rechtsextreme Geste
Große Freude in der Türkei: Durch ein 2:1 gegen Österreich hat sich die Fußball-Nationalmannschaft des Landes erstmals seit 2008 wieder für ein Europameisterschafts-Viertelfinale qualifiziert. Doch nun droht Doppeltorschütze Merih Demiral eine Sperre, weil er seinen zweiten Treffer mit dem Wolfsgruß feierte, einem Erkennungszeichen der rechtsextremistischen Grauen Wölfe. Wäre das gerechtfertigt?
Das hat im Fußball nichts zu suchen
Für die Neue Zürcher Zeitung gilt eine Nulltoleranz für solche Gesten:
„Das Mindeste sollte ein Ausschluss für den Viertelfinal sein, auch eine Sperre von einigen Spielen wäre nicht unangemessen. Sollte ein anderer türkischer Spieler auffällig werden, sollte sich die Uefa die Möglichkeit offenhalten, den türkischen Verband vom nächsten Turnier auszuschliessen. Die Botschaft, wonach Rechtsextreme im Fussball nichts zu suchen haben, kann nicht deutlich genug formuliert werden. Für die Uefa geht es allein schon darum, die Integrität des Wettbewerbs zu wahren, die von solchen Trittbrettfahrern beschädigt wird.“
Nichtbestrafung wäre unglaubwürdig
Politische Äußerungen sind bis zu einem bestimmten Maß auszuhalten, aber Demirals Geste überschreitet diese Grenze, findet der Spiegel:
„Die Uefa hat klare Richtlinien, die politische Kundgebungen bei einem Fußballspiel untersagt. Man kann das richtig oder falsch finden. Die Debatte gab es schließlich schon bei der vergangenen EM, als heftig über die Regenbogen-Symbolik vor der Partie Deutschland gegen Ungarn diskutiert wurde ... . Das damalige Verbot war auch deswegen so umstritten, weil man sagen kann: Die Regenbogenflagge ist keine dezidiert politische Meinungsäußerung, sondern ein Zeichen für universelle Werte. Die Uefa hat das anders gesehen. Gerade deswegen darf sie den türkischen Spieler jetzt nicht straflos weiterspielen lassen. Sonst macht sie sich unglaubwürdig.“
Türkischer Nationalstolz darf für einige nicht sein
Die regierungstreue Akşam ärgert sich über die Kritiker aus dem In- und Ausland:
„Sie haben ein Problem mit allen Werten, dem Glauben, den Heiligtümern, der Flagge, dem Heimatland, den Sitten und Traditionen dieser Nation. ... Machen Sie sich keine Sorgen. Natürlich wird es jene geben, die die Freude, die die Nationalmannschaft dieser Nation gebracht hat, nicht teilen können. ... Sie können sich nicht freuen, zwingen Sie sie nicht dazu. Das ist auch gar nicht nötig. Unsere Jungs haben schließlich gewonnen!“
Verteidigungsversuch überzeugt nicht
Demirals Statement wird ihn nicht retten können, kommentiert T24:
„Das Problem hängt nicht nur mit dem politischen Charakter der Geste zusammen. Fußballverbände können gemäß Artikel 11 der Uefa-Rechtspflegeverordnung auch unpolitische Gesten (einschließlich des Soldatengrußes) bestrafen, die 'den Fußball in Verruf bringen'. Das Argument, diese Geste sei 'nicht politisch, sondern lediglich auf die Geschichte der Türken bezogen', reicht daher möglicherweise nicht aus, um die Situation zu retten. ... Auch Fußballer können politische Ansichten haben, und natürlich können sie diese zum Ausdruck bringen. Aber wenn es um die Nationalmannschaft geht, müssen sie mit mehr Verantwortungsbewusstsein handeln. Merih Demiral hat sich unverantwortlich verhalten.“