Wie weiter nach dem Attentat auf Trump?

Zwei Tage nachdem ein Attentat auf Donald Trump verübt wurde, soll der Parteitag der Republikaner ihn am heutigen Montag als Präsidentschaftskandidat nominieren. Laut eigener Aussage hat er seine zuvor kämpferische Rede umgeschrieben und möchte die USA nun zur Einheit aufrufen. Medien vergleichen das Attentat mit historischen Ereignissen und fragen, welche Auswirkungen es haben wird.

Alle Zitate öffnen/schließen
The Irish Times (IE) /

Der Unverwundbare

Trump wird von dem Anschlag politisch profitieren, ist The Irish Times überzeugt:

„Überlebt ein Politiker ein Attentat, kann ihn das stärker erscheinen lassen. Ronald Reagan profitierte in den Umfragen, als er zu Beginn seiner Präsidentschaft einen Mordanschlag überstand. Für einen Egomanen wie Trump und seine fanatischen Anhänger wird das Überleben eines Attentats zu der Überzeugung führen, er sei nahezu unverwundbar. ... Eine Zurschaustellung von Stärke, die dieses Ereignis ermöglicht, könnte Trump tatsächlich helfen, im November das Weiße Haus zu erobern.“

De Volkskrant (NL) /

Ein Geschenk des Himmels

Volkskrant-Kolumnist Sander Schimmelpenninck vergleicht den Anschlag mit dem Reichstagsbrand von 1933, der die Verfolgung von Gegnern der Nationalsozialisten einleitete:

„Trump wird genau dasselbe versuchen, wenn er an die Macht kommt, in dieser Hinsicht ist der Anschlag ein Geschenk des Himmels. Konservative fordern schon seit Jahrzehnten eine 'amerikanische Revolution', jetzt ist sie sehr nahe. ... Hitler musste erst an die Macht kommen, um die Informationskanäle zu beherrschen. Trump hat dank der sozialen Medien, mit Elon Musk als größtem Verbündeten, die Informationsmacht bereits teilweise in der Hand. Seine Anhänger geben dem linken Lager bereits die Schuld für das Attentat und verursachen damit eine Dynamik, in der die Wahrheit kaum noch eine Rolle spielt. ... Trump ist seiner Diktatur einen weiteren Schritt näher gekommen.“

La Repubblica (IT) /

Das überdeckt alles, wofür er bisher stand

La Repubblica erkennt eine Zäsur:

„Trump war erfolgreich, sicher, aber niemand schätzte ihn, weder als Geschäftsmann noch als Politiker - und dazu kam sein Privatleben mit den schäbigen Ehe-Episoden und den Aussagen seines Ex-Anwalts Michael Cohen, der ihn in Interviews und im Zeugenstand als egoistisch, lüstern und gierig darstellt. ... Dieser Trump, dieses Narrativ der dubiosen Dossiers, der Liebesaffären im Schatten seines pädophilen Freundes Epstein, bis hin zum gescheiterten Putsch im Januar 2021, landet im Altwarenhandel, verdeckt von den Videos und Bildern der Kundgebung in Butler. … Das Bild des AP-Fotografen Evan Vucci, eines Pulitzer-Preisträgers, dem so noch eine Zugabe gelingen könnte, hat den neuen Donald Trump geboren, mit dem Freunde und Feinde, Amerika und die Welt rechnen müssen.“

Seznam Zprávy (CZ) /

Wie wählen die Unentschlossenen?

Seznam Zprávy hält die Präsidentschaftswahl noch nicht für entschieden:

„Die Emotionen kochen heute hoch. Und ja, die Fotos eines blutüberströmten Trumps mit zur Faust erhobener Hand und einer amerikanischen Flagge im Hintergrund sind fantastisch. Wir wissen nur noch nicht, ob Trump sie gerahmt im Weißen Haus oder in seiner Villa in Mar-a-Lago aufhängen wird. Denn schon jetzt können wir sehen, dass in der Symbolik dieser Fotos jeder das findet, was er braucht. Die Polarisierung wird sich verstärken, aber es ist naiv zu glauben, dass sich Wähler, die bislang noch unentschlossen waren, nur wegen des Attentats für Trump entscheiden werden.“

Abbas Galliamow (RU) /

Demokraten können etwas entgegensetzen

Politologe Abbas Galliamow bezweifelt auf Facebook, dass der überlebte Mordanschlag Trumps Wahlsieg bedingt:

„Jetzt werden die Umfrageergebnisse für den Ex-Präsidenten für eine Weile steigen, aber bis zur Wahl sind es noch 3,5 Monate. Die Tagesordnung wird sich mehr als einmal ändern. Wenn die Demokraten Biden ersetzen, wird dieses Ereignis das Attentat völlig in den Schatten stellen und seinen Effekt radikal verringern. In diesem Sinne können die Demokraten von Glück reden, dass sie ihren Kandidaten nicht schon früher ausgetauscht haben. Indem er sich an die Macht klammerte, hat Biden seinen Parteifreunden einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Jetzt haben sie etwas, das sie Trumps Ohr entgegensetzen können.“

eldiario.es (ES) /

Nicht den Brandstifter zum Feuerwehrmann machen

Auch für eldiario.es könnte das Attentat einen Wendepunkt zugunsten der Demokraten darstellen:

„Die Wähler sind sehr empfindliche Tiere. Die USA haben vielleicht seit den schrecklichen 1960er Jahren und ihrer politischen Gewalt kein so dunkles Jahrzehnt erlebt. Den Brandstifter zum Feuerlöschen einzusetzen, ist in der Regel keine gute Idee. ... Die Botschaft der Rache und der Abrechnung für die Niederlage im Jahr 2020, die Trumps Wahlkampf geprägt hat, könnte sich nun gegen ihn wenden. In Prozessen extremer Polarisierung kommt oft der Moment, in dem es dem mythischen Durchschnittswähler reicht.“

24 Chasa (BG) /

Attentäter schießt Biden in Rente

Biden wird noch in dieser Woche als Präsident zurücktreten, prophezeit der Kolumnist Valeri Najdenow in 24 Chasa:

„Der Attentäter schoss auf Donald Trump, traf aber unbeabsichtigt Joe Biden und beschleunigte damit die Pläne für seinen vorzeitigen Ruhestand. Ich wette 10 Lewa, dass wir noch diese Woche Neuigkeiten haben werden. ... Wenn Biden bis Mittwoch zurücktritt, wird Kamala Harris sofort den Eid ablegen und wie ein gigantischer Magnet alle Mikrofone, Kameras und Reporter mit Notizblöcken in der Hand an sich ziehen. Sie wird die erste weibliche Präsidentin sein, noch dazu schwarz. Mindestens eine Woche lang wird sich alles um sie drehen und der angeschossene Trump wird medial ins Hintertreffen geraten.“

Corriere del Ticino (CH) /

Gefahr durch Trump nicht in den Fokus rücken

Die Demokraten sollten sich jetzt auf einen inhaltlichen Wahlkampf konzentrieren, rät Corriere del Ticino:

„Es stimmt, dass Donald Trump in seiner politischen Laufbahn Haltungen eingenommen hat, die in einem demokratischen System inakzeptabel sind. … Doch wenn die Demokraten sich im Wahlkampf zu sehr auf die Gefahr konzentrieren, die der Tycoon im Falle seiner Wiederwahl für die amerikanische Demokratie darstellen würde, dann ist das keine Antwort auf die zahlreichen Probleme, mit denen ein großer Teil der amerikanischen Bürger im sozialen und wirtschaftlichen Bereich zu kämpfen hat. Und wenn die Politik jetzt blutig ist, bedeutet das, dass wir uns in eine gefährliche Richtung bewegen. Trump scheint jedoch nur daran zu denken, wie er aus dem Angriff Kapital schlagen kann.“