Friedensnobelpreis für japanische Atomwaffengegner
Nihon Hidankyō bekommt den diesjährigen Friedensnobelpreis. Die von Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gegründete Organisation setzt sich sowohl für die damaligen Opfer als auch für weltweite atomare Abrüstung ein. Die Presse erörtert, inwieweit dieser Preisträger eine gute Wahl ist.
Mahnung an die Menschheit
Die japanische Organisation Nihon Hidankyō ist eine politisch und zeitlich passende Wahl, meint der Tages-Anzeiger:
„Sie verfolgte von Anfang an primär zwei Ziele: Erstens setzt sie sich bei der japanischen Regierung dafür ein, die Opfer (die lange unter prekären Bedingungen leben mussten) angemessen zu unterstützen. Zweitens ist es ein vorrangiges Anliegen der Mitglieder, dass weltweit abgerüstet wird: Ziel ist letztlich die Abschaffung aller Atomwaffen in der Welt. Die Entscheidung des Nobelpreiskomitees erinnert die Welt daran, was der Einsatz von Atomwaffen bedeutet. Und sie ist eine Mahnung, was der Menschheit droht, wenn sich immer mehr Länder diese ultimative Waffe beschaffen. Wer wüsste das besser, wer könnte glaubhafter davor warnen als die Augenzeugen von Nihon Hidankyo?“
Erschreckende Erinnerung statt Prinzip Hoffnung
Jyllands-Posten begrüßt die Entscheidung des Nobelkomitees, den Blick diesmal zurückzuwenden:
„Die gegenwärtigen Kriege, die fragile Sicherheitsstruktur und die neu aufgeflammte Atomwaffendebatte erinnern daran, dass Hoffnung keine Strategie sein kann. 2009 ging der Preis an Obama 'für seine außergewöhnlichen Bemühungen zur Stärkung der internationalen Diplomatie und zur Zusammenarbeit zwischen den Völkern', 1994 an Arafat, Peres und Rabin für ihre Bemühungen um Frieden im Nahen Osten, 1990 an Gorbatschow für seine wichtige Rolle bei der Veränderung des Ost-West-Verhältnisses. ... In Ermangelung positiver Zeichen in einer unruhigen Welt zeugt es von Weisheit, Menschen auszuzeichnen, die kraft ihrer Erinnerung und mit ihren Berichten dazu beitragen können, die Handelnden der Gegenwart zum Umdenken zu bewegen.“
Schmerzhafter Weg zur Neutralität
Der in Japan lebende Journalist Wassili Golownin skizziert auf Facebook die Geschichte der 1956 gegründeten Organisation:
„'Hidankyō' war sehr links orientiert, prosowjetisch und antiamerikanisch, machte aber schwere Zeiten und Spaltungen durch, nachdem die Sowjetunion mit Atomtests begonnen hatte. ... Ein weiterer Streit entbrannte zwischen Sozialisten und Kommunisten: Er führte zu einer Aufspaltung der japanischen Antiatom-Bewegung entlang der Parteigrenzen. Daraufhin beschloss die landesweite Hidankyō, sich aus all diesen Organisationen zurückzuziehen und betrachtet sich seither als neutral. Der Verband kritisiert nun sowohl Washington als auch Moskau für ihr Festhalten an Atomwaffen.“
Aktuell hat niemand den Preis verdient
Der Tagesspiegel wirft die Frage auf, ob man den Preis besser nicht hätte vergeben sollen:
„Nach Maßgabe des Stifters Alfred Nobel soll der Preis an denjenigen vergeben werden, 'der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt' und damit 'im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht' hat. Wer hat das schon? Die Frage ist berechtigt, ob im Blick auf die Anforderungen aktuell irgendjemand so viel zum Frieden beigetragen hat, dass es nobelpreiswürdig wäre. Die Antwort lautet da schlicht: nein. ... Aber die Auswahl des Nobel-Komitees jetzt hat ihre eigene Klugheit – sie geschah um des Friedens willen.“