Georgien-Wahl: Was steht für Europa auf dem Spiel?
Georgien wählt am Samstag ein neues Parlament. Während sich die Georgier in Umfragen immer wieder deutlich für den Weg in die EU ausgesprochen haben, setzte die seit 2012 regierende Partei Georgischer Traum zuletzt Gesetze durch, die russischen Vorbildern ähneln und die Rechte der Opposition und der Zivilgesellschaft einengen. Die EU legte daraufhin den erst Ende 2023 eingeläuteten Beitrittsprozess des Landes auf Eis.
In jedem Fall eine Wegscheide
Nowaja Gaseta erkennt eine Schicksalswahl:
„Georgischer Traum spricht von einer Wahl zwischen Krieg und Frieden. Die Opposition spricht von einer Wahl zwischen der 'russischen Welt' und dem europäischen Weg, den das Land in den letzten Jahrzehnten eingeschlagen hat. ... Die Partei selbst behauptet unter Berufung auf eigene Umfragen, dass etwa 60 Prozent der Wähler bereit sind, für sie zu stimmen, so dass sie eine verfassungsändernde Mehrheit in der Tasche hätte, die es ihr ermöglichen würde, die Frage der Opposition endgültig zu klären und weiterhin nach eigenem Gutdünken zu handeln. Wenn das passiert, laufen viele Georgier Gefahr, am 27. Oktober in einem anderen Land aufzuwachen.“
Regierungspartei sabotiert EU-Beitritt
La Repubblica klagt:
„Während in Moldau die Bevölkerung noch gespalten ist, unterstützen hier mehr als 80 Prozent der 3,7 Millionen Bürger den Weg der EU-Integration. ... Die Partei, die seit zwölf Jahren an der Regierung ist, Georgischer Traum, setzt jedoch alles daran, diesen Weg zu sabotieren. Ihr Gründer und De-facto-Führer Bidsina Iwanischwili, ein Milliardär, der sein Vermögen in Russland gemacht hat, kontrolliert die Justiz und die Presse und hat freiheitseinschränkende Maßnahmen durchgesetzt, wie das so genannte 'russische Gesetz', das Medien und NGOs, die ausländische Gelder erhalten, dazu verpflichtet, sich als 'ausländische Agenten' registrieren zu lassen, oder ein Anti-LGBT-Gesetz. …. Die Proteste der Bürger reichten nicht aus: Anfang Juli musste die EU den Beitrittsprozess aussetzen, der erst im vergangenen Dezember begonnen hatte.“
Brüssel muss demokratische Kräfte mehr unterstützen
El Mundo fordert ein stärkeres Engagement der EU gegen unlautere Methoden Russlands, an Einfluss zu gewinnen:
„Am Sonntag schlug Russland eine neue Schlacht seines hybriden Kriegs gegen Europa. ... Seine Einmischung in der Republik Moldau ist der Vorbote einer ebenso gefährlichen Einmischung in die Parlamentswahlen in Georgien am Samstag. Die Bedrohung, die Putin für beide Gebiete darstellt und die wie in der Ukraine jederzeit militärisch werden könnte, zwingt die EU, ihre Unterstützung für die demokratischen Kräfte zu verdoppeln. Sie sind ein Schutzwall gegen einen zunehmend aggressiven russischen Imperialismus.“
Faire Wahlen sind unwahrscheinlich
Die EU und die USA sollten sich schon mal über Strafmaßnahmen Gedanken machen, regt Financial Times an:
„Es gibt gute Gründe, daran zu zweifeln, dass die Wahlen an diesem Wochenende frei und fair sein werden. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass Iwanischwili und seine Partei von der Macht zurücktreten würden, falls die demokratische Opposition entgegen aller Wahrscheinlichkeit gewinnen sollte. Im Falle von Unruhen nach den Wahlen sollten die EU und die USA bereit sein, als Vermittler zu fungieren. Sollte Iwanischwili unrechtmäßig an der Macht bleiben und sich weiter vom demokratischen Pfad entfernen, werden Strafmaßnahmen gegen ihn – und nicht gegen das georgische Volk – notwendig sein.“