Estland: Verlieren Russen jetzt ihr Wahlrecht?

Die estnische Regierungskoalition möchte im Land lebenden Bürgern von Russland und Belarus ihr bisheriges Wahlrecht auf kommunaler Ebene entziehen. Noch offen ist, ob auch die staatenlosen "Nichtbürger" mit sogenannten grauen Pässen betroffen sein sollen. Jedenfalls bedarf es einer Verfassungsänderung, weshalb nun das Parlament die Frage behandeln muss. Die Landesmedien führen dazu eine Grundsatzdiskussion.

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Postimees (EE) /

Richtige Reaktion in angespannter Lage

Postimees lobt die Regierung für ihren Beschluss:

„Man kann denjenigen nicht zustimmen, die sagen, dass die Entscheidung des Koalitionsrates vom Montag von Emotionen und politischer Kurzsichtigkeit motiviert war, als ob man den Moment unterstreichen wollte, in dem wir leben. ... Es handelt sich nicht um einen Moment, sondern um eine sehr grundlegende Wende. Der Krieg in der Ukraine ist die größte Herausforderung für die Sicherheitspolitik Estlands seit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit im Jahr 1991. Leider enthielt der Beschluss des Koalitionsrates aber auch einen Wermutstropfen, als klar wurde, dass die Sozialdemokraten den Inhabern grauer Pässe das Wahlrecht bei Kommunalwahlen nicht verwehren wollen.“

Õhtuleht (EE) /

Ein undemokratischer Schritt aus Eigennutz

Mit Liia Hänni warnt eine der Autorinnen des estnischen Grundgesetzes in Õhtuleht vor einem Einschnitt in die Bürgerrechte:

„Das Wahlrecht für alle ständigen Einwohner bei den Kommunalwahlen war kein Fehler der Verfassungsgebenden Versammlung, wie einige 'Experten' behaupten, sondern eine umsichtige Entscheidung, die auf der Verantwortung der lokalen Gemeinschaft für die Organisation ihres eigenen Lebens beruht und die Realität in so vielen estnischen Städten und Gemeinden berücksichtigt. ... Die überstürzte Änderung der Verfassung vor den Kommunalwahlen im Herbst 2025 ist ein deutliches Beispiel dafür, wie einige politische Parteien kurz vor den Wahlen die Wählerschaft in ihrem Sinne umgestalten wollen, indem sie die durch die russische Aggression in der Ukraine ausgelösten Emotionen der Menschen ausnutzen.“