Türkei: Kurdische Bürgermeister abgesetzt
Der Bürgermeister des Istanbuler Bezirks Esenyurt, Ahmet Özer (CHP), ist wegen Terrorvorwürfen verhaftet und seines Amtes enthoben worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Mitglied der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Der Vize-Gouverneur von Istanbul wurde an seiner Stelle als Zwangsverwalter eingesetzt. Am Montag wurden auch drei Bürgermeister der kurdischen Linkspartei DEM entlassen und durch Zwangsverwalter ersetzt.
Kurden sollen die Lebensadern gekappt werden
Die Regierung will das effektivste politische Mittel der Kurden schwächen, kommentiert Evrensel:
„Die Kommunalverwaltungen sind für die kurdische Politik der Weg, täglich nah am Volk zu bleiben und in vielen Bereichen, insbesondere der Sprache, Bildung, Frauen, Kultur und Kunst, eine alternative Politik zu derjenigen der Regierung zu entwickeln. Daher besteht kein Zweifel daran, dass eines der Ziele der Zwangsverwalter-Politik darin besteht, eine der wichtigsten Lebensadern der kurdischen Politik zu kappen und diese Räume zu nutzen, um die eigenen lokalen Basen [des Regierungslagers] zu stärken.“
Medienkampagnen sind Teil der Operation
T24 ärgert sich über die regierungsnahen Medien, die den festgenommenen Bürgermeister Özer bereits vorverurteilen:
„Die Deklaration zu den Rechten und Pflichten im Journalismus in der Türkei enthält den Grundsatz: 'Solange ein Urteil nicht rechtskräftig ist, sollte ein Verdächtiger oder Angeklagter nicht für schuldig erklärt werden.' Außerdem wird darin gefordert, Berichte zu vermeiden, die die Ermittlungen beeinflussen könnten, und Informationen über Anschuldigungen und Vorwürfe in fairer und ausgewogener Weise zu veröffentlichen. Gegen diese Grundsätze wurde und wird bei der Berichterstattung über Ahmet Özer in den regierungsnahen Medien offen und bewusst verstoßen. Wer die Unschuldsvermutung ignoriert, betreibt keinen Journalismus, sondern Kampagnenjournalismus.“
Opposition legitimiert Terror
Die regierungstreue Star unterstellt eine problematische Nähe der CHP zur PKK:
„Sowohl bei den Präsidentschaftswahlen im Mai als auch bei den Kommunalwahlen im März hat sich die CHP falsch positioniert, indem sie mit dem politischen Arm der Terrororganisation zusammenarbeitete. ... Seit Kemal Kılıçdaroğlu Parteivorsitzender war, hat die CHP ihre historische Linie zum Terrorismus geändert und leider eine Politik verfolgt, die terroristische Organisationen legitimiert. ... Es scheint, dass der verhaftete Bürgermeister ein sehr, sehr aktiver Unterstützer der Terrororganisation ist!“
Was Europa davon hält, ist Ankara egal
Auch internationale Kritik wird die türkische Regierung nicht aufhalten können, kommentiert Artı Gerçek:
„Nachdem Prof. Dr. Ahmet Özer, der bei den Kommunalwahlen am 31. März als CHP-Kandidat antrat und dank des mit der [pro-kurdischen] DEM-Partei erzielten 'städtischen Konsenses' mit 49,04 % der Stimmen gewählt wurde, verhaftet und durch einen Zwangsverwalter ersetzt wurde, reagierte der Türkei-Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Nacho Sánchez Amor, sofort und forderte Sanktionen gegen die Zwangsverwaltungspraxis. Doch wie auch immer die Reaktionen der EU ausfallen mögen, die Erfahrung zeigt, dass sie ebenso wenig wie die verbindlichen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Despoten in Ankara davon abhalten werden, das zu tun, was sie für richtig halten.“