Syriza siegt in Griechenland
Das Linksbündnis Syriza hat die Wahl in Griechenland klar gewonnen, die absolute Mehrheit aber wohl verfehlt. Parteichef Alexis Tsipras erklärte die Sparpolitik in Griechenland für beendet, zeigte sich jedoch zu Verhandlungen mit den Geldgebern bereit. Das Ende der Austerität in Europa ist eingeläutet, meinen einige Kommentatoren. Andere prophezeien, Tsipras wird sich noch als Vollstrecker des Sparkurses hervortun.
Ende der Austeritätspolitik in Europa
Der Wahlsieg von Alexis Tsipras in Griechenland läutet das Ende der Austeritätspolitik ein, glaubt die staatliche liberale Wiener Zeitung: "Es ist eine Zäsur für Europa. Italiens sozialdemokratischer Regierungschef Renzi sagt ebenfalls, dass die Sparpolitik ein Ende haben müsse. Und die europäische Sozialdemokratie wird sich das Wahlergebnis in Griechenland genau anschauen. Gianni Pitella, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europa-Parlament hat als erste Reaktion zwei Worte gesagt: Stop Austerity. Tsipras und Syriza ins kommunistische Eck zu drängen ist also zu einfach gedacht. Erstens gibt es im Europäischen Rat kaum einen Regierungschef, der ein solches Wahlergebnis vorweisen kann, das allein gibt Legitimation. Zweitens wird Tsipras ... die Sozialdemokraten ins Grübeln bringen. Europa steht daher vor schwierigen Entscheidungen. Die Frage, ob das griechische Hilfsprogramm nun verlängert wird oder nicht, ist dabei zweitrangig."
In Athen beginnt eine neue Ära
Alexis Tsipras wird die griechische Politik revolutionieren, wenn er es schafft, eine Einigung mit der Troika zu erzielen, prognostiziert die linksliberale Online-Zeitung To Vima: "In diesem Fall wird er der absolute Herrscher sein. Keine Partei und keine Führung könnten dies ignorieren. … Zudem kann man nicht übersehen, dass zurzeit der 40-jährige Tsipras der jüngste Premier Europas ist. Er wird bestimmt andere junge Politiker in die politische Arena integrieren, das war auch bei seinem Aufruf zu erahnen, mit dem er sich an junge Wissenschaftler wandte, die ausgewandert sind und nun in ihre Heimat zurückkommen sollen. Der Wunsch nach Erneuerung wird im politischen Leben Griechenlands herrschen. Zweifellos befinden wir uns in einer neuen Ära."
Syriza wirft Griechenland zurück
Absoluter Wahnsinn wäre es, wenn Syriza ihr Wahlprogramm umsetzt, stellt die liberale Tageszeitung Dagens Nyheter fest und hat wenig Hoffnung, dass sich ein Koalitionspartner mäßigend durchsetzen kann: "Alle Einsparungen und mühsam durchgesetzten Reformen sollen weg, Löhne und Pensionen sollen wieder auf das Niveau von vor der Krise angehoben werden, Privatisierungen sollen gestoppt und rückgängig gemacht werden, breite Gruppen sollen ärztliche Hilfe und Strom umsonst bekommen, alle gekündigten öffentlichen Angestellten sollen wieder zurückkommen (und Gesellschaft von zehntausend neuen erhalten). ... Alles wird mit Luft bezahlt: der Utopie, dass der umfassende Steuerbetrug umgehend gestoppt werden kann. Syriza würde auf jeden Fall eines wieder herstellen: eine Wirtschaft im Zustand der Auflösung. … Vielleicht könnte ein Koalitionspartner die Verantwortungslosigkeit zügeln. Ein Drittel von Syriza sind Kommunisten, die noch weiter nach links streben."
Tsipras wird unbequeme Wahrheiten verkünden
Aus purer Notwendigkeit wird sich Wahlsieger Alexis Tsipras noch als derjenige erweisen, der unangenehme Reformen in Griechenland durchsetzt, vermutet die konservative Tageszeitung Die Welt: "Der begnadete Populist Tsipras wird den Griechen, von denen sich immer noch zu viele der Realität verweigern, unbequeme Wahrheiten zumuten müssen. Die wichtigste: Griechenland ist pleite, und wenn sich keine alternativen Geldgeber finden, muss Tsipras einlenken und auf die Troika zugehen. ... Für Tsipras spricht ..., dass er Vertrauen in der Bevölkerung genießt. Im Gegensatz zu den etablierten Parteien gilt er - auch wegen seiner Querschüsse an die Adresse Brüssels und Berlins - im Land nicht als Marionette der ausländischen Gläubiger. Wer, wenn nicht er, könnte die notwendigen Reformen gegen Widerstände durchsetzen."
Hollande kann Schiedsrichter im Sparstreit sein
Frankreichs Präsident François Hollande muss bei der Kompromissfindung zwischen Griechenland und der EU eine entscheidende Rolle einnehmen, fordert das linksliberale Nachrichtenmagazin L'Obs: "Nun werden Verhandlungen beginnen, die für Griechenland sehr wichtig und für Europa grundlegend sind. Sie werden sehr hart sein: die CDU von Angela Merkel hat bereits ihre Bedingungen gestellt und das auf sehr brutale Art und Weise. Sie hat angedeutet, dass man sich auf die Möglichkeit eines Ausstiegs Griechenlands aus der Eurozone vorbereiten muss. In diesen Verhandlungen hat François Hollande Trümpfe in der Hand. Er befindet sich im Zentrum des politischen Spiels zwischen einem Deutschland, das auf strikte monetäre Disziplin pocht und Griechenland, Spanien und den anderen Ländern, in denen der Wind der Veränderung weht. Von seiner Strategie hängt es ab, ob der Euro Chancen auf ein menschlicheres und sozialeres Antlitz hat."