EU befeuert Kampf gegen Google
Die EU-Kommission hat am Mittwoch eine Kartellbeschwerde gegen Google eingereicht. Der Suchmaschinenbetreiber nutze seine Marktstellung zum Nachteil seiner Konkurrenten aus, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Das Verfahren ist ein wichtiger Präzedenzfall für das Onlinegeschäft, loben einige Kommentatoren. Für andere ist der kartellrechtliche Kampf gegen Google lediglich ein Nebenkriegsschauplatz.
Brüssel schafft Präzedenzfall für Onlinegeschäft
Der Ausgang des Streits um die missbrauchte Marktmacht bei Google Shopping wird auch für andere Segmente des Onlinegeschäfts richtungsweisend sein, erinnert die konservative Tageszeitung El Mundo und ermuntert die EU-Kommission zur Standhaftigkeit: "Der Ausgang dieses Konflikts ist von besonderer Bedeutung, weil er als Präzedenzfall für weitere Geschäftsbereiche im Internet gelten wird, bei denen es zu Problemen mit dem Suchmaschinenkonzern kommen könnte, wie zum Beispiel Flüge, Reisen und Karten. Hoffentlich hält Brüssel dem Druck stand und verteidigt die Interessen der Bürger sowie anderer innovativer Unternehmen. Letztere benötigen einen sauberen Wettbewerb, um an der Informationsgesellschaft in Europa mitwirken zu können. Außerdem wäre es wichtig, die Ermittlungen zu beschleunigen, denn fünf Jahre sind in einer so dynamischen Branche wie dem Onlinegeschäft eine Ewigkeit."
Verfahren wird endlich Klarheit bringen
Google darf nicht zu Unrecht angeprangert werden, doch ist zu begrüßen, dass die EU-Kommission formal gegen den Internetgiganten vorgeht, meint die wirtschaftsliberale Tageszeitung Financial Times: "Google kann zu Recht darauf verweisen, dass Internetnutzern eine Reihe von Suchmaschinen zur Verfügung stehen. ... Niemand wird gezwungen, die Dienste dieses einen Unternehmens zu nutzen. ... Und es wäre falsch, wenn Google von den Regulierungsbehörden nur deshalb handlungsunfähig gemacht wird, weil seine Angebote besser sind als die seiner Konkurrenten. Doch die EU-Kommission handelt richtig, wenn sie sich das sehr genau ansieht. Jetzt braucht es einen klaren Prozess, der diese wichtige Untersuchung zu einem entscheidenden Abschluss bringt. Wenn EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager das schafft, verdient sie alles Lob, das ihr zuteil wird."
Google rennt lahmer Bürokratie davon
Die EU-Kommission hat viel zu lange gebraucht, um sich der Probleme mit Google anzunehmen, kritisiert die konservative Tageszeitung Lidové noviny und hält das Vorgehen für wenig hilfreich: "Viele Europäer werden nach der Entscheidung vom Mittwoch sagen, endlich tritt jemand dem bösen Internet-Monopolisten auf die Füße. Die Kommission geht aber leider nicht wirklich brennende Probleme an, wie etwa den Schutz der Privatsphäre, der Daten und der Nutzer. Es geht allein darum, ob der Wettbewerb zwischen der US-Firma und ihrer Konkurrenz auf dem alten Kontinent fair verläuft. ... Es ist gut möglich, dass Google seine marktbeherrschende Stellung in der Welt des Internets ausnutzt. ... Die entsprechende Untersuchung durch die EU-Kommission dauert aber bereits vier Jahre. Nun werden ziemlich sicher Sanktionen folgen und ein sich weitere Jahre hinziehender Gerichtsstreit. Das Internet aber verändert sich in Wahrheit jeden Tag. Entscheidungen über fünf oder gar zehn Jahre alte Probleme sind da nicht hilfreich."
EU braucht eigenes Silicon Valley
Um den Digitalmarkt in der EU zu retten, braucht es mehr als eine Klage gegen Google, kommentiert die Wiener Zeitung: "Google wird zahlen, im schlimmsten Fall ist die Strafe so hoch wie ein Quartalsgewinn des Unternehmens. Schon Microsoft bezahlte die Strafe locker. Doch was kommt danach? Europa wird seine technologische Abhängigkeit von Amerika und Asien trotzdem beibehalten. Dass sich nun Rest-Nokia und Alcatel zusammenschließen, ist ein Pflänzchen - doch es muss von der EU auch gegossen werden. Nur mit technologischen Schwergewichten lässt sich eine Szene aufbauen wie im Silicon Valley. Es sind die US-Multis, die dort kleine Start-ups mit Geld versorgen. ... Die digitale Kluft wird dadurch noch größer. Die EU sollte daher schleunigst trachten, in Europa ebenfalls solche Bedingungen zu schaffen. Denn ein erheblicher Teil der Erfinder im Silicon Valley stammt eigentlich aus Europa."