Blatter gibt doch auf
Fifa-Präsident Joseph Blatter hat am Dienstag seinen Rücktritt angekündigt, will aber bis zur Wahl eines Nachfolgers im Amt bleiben. Medien berichten, dass nun auch gegen ihn persönlich wegen Korruptionsverdachts ermittelt wird. Mutige Journalisten und Juristen haben den Chef des Weltfußballverbands zu Fall gebracht, loben einige Kommentatoren. Für andere ist Blatters Schuld nicht erwiesen.
Justiz und Presse sind die besten Spieler
Uefa-Präsident Michel Platini hat den Blatter-Rücktritt als mutig bezeichnet. Die liberale Tageszeitung Le Soir findet dieses Lob unangebracht, denn Mut haben ihrer Ansicht nach andere bewiesen: "Justiz und Presse haben wir es zu verdanken, dass die Herrschaft eines Despoten beendet wurde. Sie haben eine Bruchstelle in dem System geschaffen, in dem die Macht von einigen Wenigen konfisziert wurde und das Geld der Steuerzahler zur Bereicherung einer Kaste diente, die sich über dem Gesetz zu stehen wähnt. … Wir müssen uns an die Verachtung erinnern, mit der Blatter sowie einige Politiker und Fußballfunktionäre (vor allem in Frankreich) die Journalisten behandelt haben, die das schmutzige Spiel der Fifa aufgedeckt haben. Trotz schwarzer Liste und Drohungen hat die Presse sich zu Recherchen entschlossen. Nur sie hat sich in diesem Spiel die Bezeichnung 'mutig' verdient. Gemeinsam mit der Justiz, die den Pass angenommen und das entscheidende Tor geschossen hat."
Der große Einsame kapituliert
Einsamkeit und Erschöpfung und nicht die Korruptionsermittlungen sind der Grund für Blatters Rücktritt, verteidigt die liberale Tageszeitung Corriere del Ticino den Fifa-Boss: "Den überraschenden Rücktritt als Geständnis zu deuten, halten wir für falsch, zumal der Tatbestand nach wie vor unklar ist und die Ermittlungen weit davon entfernt sind, Blatters Verwicklung in den Skandal zu beweisen. ... Blatter hat aus Erschöpfung kapituliert. Angesichts des wachsenden Drucks blieb ihm keine andere Wahl, als sich selbst den Hunden zum Fraß vorzuwerfen. ... Der Präsident war seiner Bekanntheit, seiner Macht zum Trotz, ein einsamer Mann. Trotz seiner Wiederwahl auf dem Fifa-Kongress hat er verstanden, dass er einen Verband voller Abtrünniger und gieriger Geier nicht länger zu lenken vermag. Die Weissagung seines Vorgängers [João] Havelange hat sich bewahrheitet: Du hast ein Ungeheuer geschaffen, hat er ihn gewarnt. Nun wendet sich das Ungeheuer gegen seinen Erzeuger."
Blatter muss sofort weg
Joseph Blatter sollte sofort und nicht erst bei der Wahl eines neuen Fifa-Präsidenten in einigen Monaten abtreten, meint die linksliberale Tageszeitung The Guardian. Denn unter seiner Führung könnten die Probleme des Weltfußballverbandes nicht gelöst werden: "Bis Blatter abgetreten ist, kann es bei der radikalen Reform des gesamten leitenden Überbaus des Weltfußballs keinen wirklichen Fortschritt geben. Diese Reform ist aber so dringend nötig, um den Prozess der Wiederherstellung von Vertrauen und Zuversicht einzuleiten. Blatter muss an einen Übergangspräsidenten übergeben und umgehend abtreten. ... Die Fifa 2.0 benötigt als Teil ihrer Struktur wahrhaft starke und effektive interne Schutzvorrichtungen. Darüber hinaus wäre ein noch radikalerer Schritt möglich: Das große Geschäft Fußball-WM könnte von der wohltätigen Angelegenheit des Geldverteilens an neue Fußballnationen abgekoppelt werden."
Fifa bekommt Chance der Erneuerung
Die Führungskrise in der Fifa sollte genutzt werden, um die Missstände im internationalen Fußball zu korrigieren, befindet die konservative Tageszeitung La Vanguardia: "Blatters Rücktritt als Fifa-Chef bietet die einmalige Chance, die Institution zu erneuern, die die Geschicke des Fußballs lenkt. Man darf sie nicht verpassen. ... Während der 40 Jahre, in denen die beiden Fifa-Präsidenten João Havelange und Joseph Blatter im Amt waren, ist der Fußball zu einer gigantischen Geldmaschine geworden. Unter beiden Präsidentschaften sind verwerfliche Dinge geschehen: vom Stimmenkauf, um eigene Posten zu erhalten oder um Bewerbern den Zuschlag für internationale Wettkämpfe zu sichern, bis hin zum Verschwinden von Fördergeldern, die zur Unterstützung des Kinderfußballs in Entwicklungsländern bestimmt waren und in Taschen von Fifa-Funktionären landeten."