Krisentreffen im Griechenland-Streit
Im Streit um Athens Schulden wollen am heutigen Mittwoch Griechenlands Premier Alexis Tsipras, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande in Brüssel beraten. Einige Kommentatoren werfen Tsipras vor, noch immer die Privilegien griechischer Beamter zu verteidigen. Andere empfehlen der EU, das Projekt Griechenland-Reformen aufzugeben.
Tsipras kämpft in Wahrheit für die Privilegierten
Athens Reformen sind gar keine, statt für die Schwachen kämpft Tsipras für die Beschäftigten, die seit jeher Privilegien genießen, poltert die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Niemand verlangt von Griechenland, Renten oder Sozialhilfen abzuschaffen. Es geht viel eher darum, ein ungerechtes System zu reformieren, das höhere Einkommensklassen begünstigt und den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes erlaubt, mit 55 in Rente zu gehen. Der Knackpunkt ist traurigerweise folgender: In Brüssel gebärden sich Tspiras und Varoufakis als Verfechter der Sozialpolitik. Doch zuhause verteidigen sie die Privilegien auserwählter Kategorien von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes und von den Berufsständen, die in Gewerkschaften und Verbänden organisiert sind. ... Der hellenische Sozialstaat wies schon lange vor der Krise enorme Defizite auf. Die EU-Kommission hat guten Grund, die Reform dieses Sozialstaats einzufordern."
Sollen die Griechen doch arm bleiben
Dass die von Syriza angeführte Regierung in Athen bei den Griechen nach wie vor sehr beliebt ist, zeugt davon, dass die Mehrheit der Bevölkerung keine echten Reformen will, beklagt Ökonom Francesco Giavazzi in der wirtschaftsliberalen Tageszeitung Financial Times: "Wenn die Griechen keine Modernisierung wollen, sollten wir das akzeptieren. Sie haben mit großer Mehrheit für eine Regierung gestimmt, die sechs Monate nach der Parlamentswahl immer noch äußerst beliebt ist. Ihre Popularität bei der Bevölkerung zeugt von dem Wunsch, ein Land mit einem Pro-Kopf-Einkommen zu bleiben, das halb so groß ist wie das von Irland und geringer als das von Slowenien. ... Ohne wirtschaftliche und soziale Reformen wird Griechenland ein armes Land bleiben. Doch es ist nicht die Aufgabe des restlichen Europas, Griechenland Reformen aufzuzwingen. Es sollte bloß klar zu verstehen geben, dass es ohne echte Reformen keine neuen finanziellen Hilfen geben wird."
Der Euro verliert seine Glaubwürdigkeit
Mit der noch immer ausbleibenden Einigung zwischen Athen und seinen Gläubigern erreicht die Krise der Eurozone in diesen Tagen eine neue Dimension, beobachtet die liberal-konservative Tageszeitung Diário de Notícias: "Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir bereits diese Woche eine zunehmende Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar erleben. Nicht nur, weil die Wahrscheinlichkeit eines Grexits steigt, sondern auch, weil das Ansehen des Euro als zweite Weltreservewährung so stark leidet wie nie zuvor. Viele Investoren, einschließlich der Zentralbanken, die Milliarden von Euro in ihren Portfolios anhäufen, werden zu dem Schluss kommen, dass es besser ist, den Euro als Zahlungsmittel abzustoßen. Denn er repräsentiert eine Währungsunion, die offenbar einfach nicht in der Lage ist, ihr Auseinanderbrechen zu verhindern. Und eine Währungsunion, die sich auf einen erbitterten Machtkampf mit einem kleinen Land versteift hat, das zuerst zerstört wurde und nun aus der Gemeinschaft getrieben wird."