Mit Assad gegen die IS-Miliz?
In der Debatte um eine Lösung des Syrienkonflikts mehren sich die Stimmen in Europa, die im Kampf gegen die IS-Miliz eine Zusammenarbeit mit Machthaber Baschar al-Assad fordern. Unter anderem riefen am Montag die Außenminister Österreichs und Spaniens zu Verhandlungen mit ihm auf. In Syrien führt kein Weg an Assad vorbei, pflichten einige Kommentatoren bei. Andere sehen solche Überlegungen als Planspiele, die das Leid der Flüchtlinge nicht mindern.
Es führt kein Weg an Assad vorbei
So lang die syrische Opposition zu schwach ist, um staatliche Strukturen aufzubauen, führt kein Weg an Verhandlungen mit Assad vorbei, betont die liberale Tageszeitung La Libre Belgique: "Sich zu weigern, mit Assad zu sprechen, bedeutet auch, sich zu weigern, mit einem laizistischen Regime zu sprechen, mit einem Staat, der zwar ein Polizeistaat ist, der aber funktioniert, mit Schulen, Ministerien und kommunalen Dienstleistungen. Nur der IS-Miliz ist es bis jetzt gelungen, in den von ihr besetzten Zonen öffentliche Einrichtungen wiederherzustellen. Doch zweifellos wird man nie mit der IS-Miliz, der Verfechterin einer totalitären Ideologie, sprechen können. Lasst uns nicht die Fehler wiederholen, die wir in Irak und Libyen begangen haben, wo wir glaubten, das Problem durch die Beseitigung eines Diktators zu lösen. Die syrische Opposition ist noch zu schwach, um Baschar al-Assad umgehen zu können."
Dem Erzfeind einen würdigen Abtritt ermöglichen
Die französische Luftwaffe ist am Dienstag erste Aufklärungsflüge über Syrien geflogen, um Informationen über Ziele möglicher Angriffe zu sammeln. Diese können nur parallel zu Verhandlungen mit Assad zu einer Lösung des Konflikts beitragen, meint die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Für den Westen gibt es in Syrien nur Erzfeinde, die Terrormiliz IS und al-Qaida auf der einen Seite, die Streitkräfte von Assad auf der anderen. Die Luftangriffe, die den IS und al-Qaida als Feind Nummer eins treffen, helfen jedoch indirekt Assad. Deshalb kann der Versuch, das Blutbad zu beenden, heute nur mehr diplomatischer Natur sein. Parallel zu entschiedenen Luftangriffen gegen den IS muss, in Absprache mit Russland, dem Iran und Saudi-Arabien, ein politischer Prozess angestrengt werden, der einen Machtwechsel in Damaskus vorsieht und Assad die Möglichkeit eines würdigen Abtritts einräumt. ... Die Alternative ist der Zerfall Syriens und die Ankunft neuer Flüchtlingsströme in Europa."
Humanitäre Mittel statt Militäreinsatz
Die Entscheidung zwischen einem Militäreinsatz in Syrien oder Verhandlungen mit Assad läuft auf eine Wahl zwischen Pest und Cholera hinaus, meint die liberale Tageszeitung Kurier und empfiehlt stattdessen humanitäre Hilfen: "Von einem Uno-Mandat ist die Staatengemeinschaft Lichtjahre entfernt. Es gibt weder einen Waffenstillstand, noch Verhandlungen darüber. Es gibt auch keine Flugverbotszonen, geschweige denn Schutzzonen am Boden. Klar ist hingegen die Position von [Österreichs] Außenminister Kurz, der ... erklärt hat, dass im Kampf gegen den Islamischen Staat auch der syrische Machthaber Bashar al-Assad eingebunden werden sollte. Vor die Wahl zwischen Pest oder Cholera gestellt, entscheidet sich Kurz für die Cholera. ... Den Flüchtlingen, die aus den Lagern in Jordanien oder im Libanon in Richtung Hoffnung aufbrechen, helfen all diese Planspiele nichts. Den Nachbarländern Syriens und den Millionen an Entwurzelten wäre hingegen mit ein paar Milliarden geholfen."
Putins Rückfahrkarte nach Europa
Laut US-Geheimdienstinformationen verstärkt Moskau seine militärische Unterstützung für die Assad-Truppen in Syrien mit Panzern und Flugzeugen. Damit kann Russlands Präsident Wladimir Putin sich als Partner Europas rehabilitieren, fürchtet die Wirtschaftszeitung Verslo žinios: "Wenn Russland dem jetzigen Führer Syriens, Baschar al-Assad, wichtige Unterstützung leistet und ihm hilft, den Bürgerkrieg für sich zu entscheiden, wird dies die Region beruhigen. ... Vor dem Hintergrund [der Flüchtlingskrise] kann Russland als Retter auftreten, der den Flüchtlingsstrom zumindest verringert. Der Westen selbst kann und will dies nicht tun. Die Logik des Westens ist sehr einfach: Die Sanktionen zeigen längst ihren Erfolg, Moskau ist wirtschaftlich geschwächt. Wenn Moskau sich nun an die schmutzige Arbeit im Nahen Osten macht, erscheint dies einem Teil des Westens besonders attraktiv."