Russland bombardiert Ziele in Syrien
Russische Kampfjets haben am Mittwoch Ziele in Syrien angegriffen. Dem Verteidigungsministerium in Moskau zufolge galten sie Stellungen der IS-Miliz, laut US-Regierung waren Gebiete betroffen, die von gemäßigten Rebellen kontrolliert werden. Moskaus militärisches Eingreifen ist eine Bankrotterklärung für den Westen, konstatieren einige Kommentatoren. Andere prophezeien, dass Washington von der Intervention profitieren wird.
Kein Kampf gegen IS-Miliz, sondern für Assad
Mit russischen Luftangriffen in Syrien beginnt eine neue Phase im Syrienkrieg, kommentiert die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Die eigentliche Überraschung besteht ... darin, dass nicht der 'Islamische Staat', gegen den auch die USA eine Luftallianz aufgestellt haben, Ziel des ersten russischen Schlags war. Laut US-Angaben wurden die Einsätze nördlich von Homs geflogen, wo die Rebellenpräsenz vielfältig ist: Da gibt es die syrische Al-Kaida-Filiale Nusra-Front, die türkisch gestützten Ahrar al-Sham, ... aber auch Gruppen, die der vom Westen gesponserten Opposition zugerechnet werden. Wenn sich diese Angaben auch bei gelichtetem Gefechtsnebel bestätigen, dann hat Russland zwei Dinge klargemacht: Es interveniert nicht (nur) gegen den IS, sondern für das Assad-Regime. Und es geht nicht - wie spekuliert wurde - um die Sicherung der Küstenzone als Assad-Hochburg, sondern um einen auch geografisch breiter angelegten Einsatz. Eine neue Phase im Syrien-Krieg beginnt."
Putins Wille besser als Obamas Wankelmut
Die Anti-Assad-Strategie des Westens ist unvernünftig, kritisiert Geschäftsführer der Media TI-Holding, Marcello Foa, in der liberalen Tageszeitung Corriere del Ticino: "Der Krieg gegen den IS ist richtig, solange ihn Obama führt - nicht aber, wenn Putin ihn erklärt. Die Luftangriffe sind in Ordnung, wenn sie von Frankreich geflogen werden. Doch sie sind es nicht, wenn Russland attackiert. ... Es wird mit zweierlei Maßen gemessen, das ist unhaltbar. Geostrategische Entscheidungen werden wie immer aus Gründen gefällt, die uns verborgen bleiben. Wir wissen nicht, warum die USA hartnäckig am Sturz Assads festhalten. Die Ursache der Instabilität ist nicht Assad sondern das Kalifat. Putins Linie, der ein westliches Bündnis gegen den IS fordert, scheint deshalb weitaus klarer und überzeugender als der US-amerikanische Zick-Zack-Kurs. Das Böse, das es zu entwurzeln gilt, ist der Fanatismus radikaler islamischer Minderheiten. Der Rest kann warten."
Syrien-Intervention hilft Obama
Russlands militärisches Eingreifen in Syrien kommt Obama durchaus entgegen, auch wenn es der US-Präsident nach außen hin anders darstellt, meint die linke Tageszeitung Népszava: "Putin tut Obama einen riesigen Gefallen. Obwohl Washington zuletzt stets betonte, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad für die USA inakzeptabel sei, wäre es für Obama dennoch das kleinste Übel, wenn der Frieden um den Preis zustande käme, dass Assad an der Macht bleibt. Ein feindlicher, 'teuflischer' Diktator ist noch immer besser als jedes Chaos. Ganz zu schweigen davon, dass die russisch-amerikanischen Beziehungen sich damit endlich wieder verbessern könnten. So etwas nennt man 'zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen'."
Moskaus Offensive führt zu mehr Flüchtlingen
Mit der Luftunterstützung für syrische Truppen im Kampf gegen die Opposition hält sich Russlands Präsident Wladimir Putin eine ihm genehme Regierung mit verheerenden Folgen an der Macht, prophezeit die konservative Tageszeitung Die Welt: "Assad hat vor den Kalifatsirren des IS anscheinend weniger Angst als vor der nationalen Opposition. Die kämpfte bereits gegen ihn, als der IS noch in den Bergen um Mossul hockte. Moskaus Eingreifen ist eine Bankrotterklärung für den Westen, der in Syrien mit großen Worten 'rote Linien' für Assad zog und keine Konsequenzen fand, als Assad sie überschritt. Der Westen wirkte unschlüssig, ja sogar feige, und das nutzt Wladimir Putin nun aus. Seine Piloten und seine Waffenlieferungen an Assad werden in Syrien nicht weniger Flüchtlinge produzieren, sondern noch mehr."