Renzi gewinnt Vertrauensvotum um Homo-Ehe
Nach monatelangem Streit und Großdemonstrationen hat Italien nun ein Homo-Ehe-Gesetz. Premier Renzi gewann das Vertrauensvotum über die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Umstrittene Punkte wie das Adoptionsrecht waren zuvor gestrichen worden. Doch was taugt das neue Gesetz?
Ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung
Trotz der Änderungen am ursprünglich geplanten Gesetz zur Homo-Ehe hat Matteo Renzi sein Land in Sachen Gleichstellung vorangebracht, lobt die konservative Tageszeitung Le Figaro:
„Vor dem Vertrauensvotum im Senat hat Renzi seine Partei gezwungen, einen Änderungsantrag auszuarbeiten, um die Möglichkeit für Homosexuelle, die leiblichen Kinder ihres Lebenspartner zu adoptieren, und die Pflicht zu gegenseitiger Treue zu streichen. Nach der Entfernung der umstrittenen Punkte waren die Zentrumspolitiker erneut zu Solidarität bereit. Und die linken Widerständler seiner Demokratischen Partei wollten nicht das Risiko eingehen, eine Regierungskrise auszulösen. Wenn das Gesetz endgültig verabschiedet ist, wird sich Renzi rühmen können, Italien bei der Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten einen Schritt voran gebracht zu haben - auch wenn das Ergebnis nicht ganz dem entspricht, wofür er sich anfangs stark gemacht hatte.“
Renzis Vermählung mit den Rechten
Renzi hat das Vertrauensvotum mit Stimmen der ehemaligen Berlusconi-Vertrauten um Denis Verdini gewonnen. Damit geht er eine ganz neue Lebenspartnerschaft ein, bemerkt bissig die linke Tageszeitung Il Manifesto:
„Es war ein wenig erbauliches Schauspiel: unsere Taliban [des bürgerlichen Koalitionspartners NCD] gegen 'hysterische Schwuchteln', gegen Adoptionen 'wider die Natur', gegen das Treuegebot für homosexuelle Paare. ... Die Regierung streift sich den protzigen Ring über, den Denis Verdini als Mitgift in die Ehe gebracht hat. Mit dem Vertrauensvotum ist Verdini triumphal in die Mehrheitsfraktion eingezogen. Wie Renzi sagt: Um zu siegen und zu befehlen, ist das Blutbild derjenigen, die einen wählen, nicht erforderlich. Der Chef der genetisch modifizierten Demokratischen Partei ist von jeher überzeugt, dass diese ohne die Stimmen des Mitte-Rechts-Lagers niemals die Wahlen gewinnen wird. Unbeirrbar hält er an dem Ziel fest.“
Renzis Methode ist die falsche
Dass Renzi das Gesetz zur Homo-Ehe mit Hilfe einer Vertrauensabstimmung durchbringen will, ist bedauerlich, findet die katholische Tageszeitung Avvenire:
„Es gibt verschiedene Arten, Gesetze zu diktieren. Doch diese überzeugt wenig. Es wäre besser gewesen, der Premier hätte einen Rückgriff auf die Vertrauensfrage vermieden. Es wäre besser gewesen , wenn man nicht zu einer Art Friss-oder-stirb-Abstimmung gelangt wäre, bei der auch das Schicksal der Regierung auf dem Spiel steht. Es wäre besser gewesen, die Gewissensfreiheit der Abgeordneten nicht so massiv zu beeinträchtigen. Sie werden am Ende - von einigen Ausnahmen abgesehen - für das Gesetz stimmen. Doch dies werden sie nicht tun, weil sie von der Qualität der normativen Lösungen überzeugt sind, sondern weil ihre Entscheidung als politisches Urteil über die Regierung Renzi ausgelegt werden wird.“
Italien wählt kulturellen Exit
Die Adoption von Stiefkindern sowie die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft zur Ehe wurden zuletzt aus dem Gesetzentwurf gestrichen, um die Stimmen des bürgerlichen Koalitionspartners NCD zu sichern. Doch damit wurde das Gesetz ausgehöhlt, klagt die linksliberale Tageszeitung La Repubblica:
„Zu Beginn der Debatte über die zivile Union, also die eingetragene Lebenspartnerschaft, wurde betont, dass man mit dem Gesetz ein Versäumnis wettmachen wollte. Italien hatte die Chance, in Sachen Zivilisation einen Rückstand wieder aufzuholen und sich erneut auf die gleiche Stufe mit den anderen EU-Staaten zu stellen. Doch jetzt, da das Gesetz so viele Elemente verloren hat, wird es - einmal verabschiedet - als neuer Beweis der grundsätzlichen Rückständigkeit ausgelegt werden, die Italien trotz aller Bemühungen einfach nicht zu überwinden in der Lage ist. ... Am Ende hat man das Gefühl, dass Italien den Weg des kulturellen Exit aus Europa gewählt hat.“
Die Familie ist der Kern der Zivilisation
Die Menschen, die am Samstag im Circus Maximus auf dem von katholischen Organisationen veranstalteten "Familiy Day" protestiert haben, sind die Stimme des Volkes, erklärt die katholische Tageszeitung Avvenire:
„Wer sehen und hören will, der wird gestern begriffen haben, was ein Volk ist, das laizistisch und verantwortungsbewusst demonstriert und seine Stimme verlauten lässt. Mit friedlicher Entschlossenheit und klaren Worten, die niemandem, auch Andersdenkenden nicht, den Respekt verweigern. Dieses große Volk verteidigt einen Humanismus, der auf der unantastbaren menschlichen Würde beruht, die nicht nur im Glauben sondern in den Grundsätzen unserer Verfassung verankert ist. Es verteidigt eine Weltanschauung, die in der Familie - der Ehe zwischen Mann und Frau und Fortpflanzung - ihre Grundlage, ihre Kraft und zugleich ihre Zukunft sieht. Es ist an der Zeit, auf die Forderung von unten, vom Volk, einzugehen. Es ist an der Zeit, den Gesetzesentwurf ernsthaft zu korrigieren.“
Stures Festhalten an alten Prinzipien
Italien will es nicht gelingen, die Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen, bedauert die linke Tageszeitung Il Manifesto mit Blick auf die Proteste gegen die Homo-Ehe:
„Die neuen alten Kreuzzügler, die im Circus Maximus in Rom versammelt waren, verweigern anderen die Freiheit. Sie marschieren unter dem Banner der Katholischen Allianz, tragen Spruchbänder 'Vater, Mutter, Kind, Volk, Nation', Symbol einer fundamentalistischen Kultur, und wollen im Namen unantastbarer Prinzipien die gleichgeschlechtliche Partnerschaft, die Anerkennung der Rechte für andere, mit aller Macht verhindern. ... Im Family Day, der von den konservativsten Verbänden des Landes organisiert wurde, hat sich das Italien wieder gefunden, das der Vergangenheit angehört. Die Botschaft der Kundgebung ist trotz Luftballons und Liedern eine düstere Botschaft. Sie beinhaltet die Furcht vor jeglicher Konfrontation, das sture Festhalten an der Welt von gestern.“