Muss die Nato Moskau stärker die Stirn bieten?
Zum ersten Mal seit zwei Jahren hat der Nato-Russland-Rat getagt, eine Annäherung in wichtigen Streitfragen gab es auf dem Treffen nicht. Die Nato muss Moskau endlich in die Schranken weisen, fordern einige Kommentatoren. Andere kritisieren ihre Russland-Politik als zu aggressiv.
Zurückhaltung der Nato bringt nichts
Die Nato-Mitgliedsstaaten müssen gegenüber Moskau endlich Klartext sprechen, fordert der Tagesspiegel:
„Moskau sieht [in der Verstärkung der Nato-Truppen in Osteuropa] eine Bedrohung der eigenen Sicherheit, die Nato betont jedoch, man habe damit nur auf das russische Vorgehen in der Ukraine reagiert. Wenn die Nato ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren will, sollte auch sie bereit zu offenen Worten sein. Die russische Führung bestreitet bis heute, dass in der Ukraine reguläre russische Truppen eingesetzt sind. ... Bisher spielen die Europäer und die USA das russische Spiel stillschweigend mit. Weder Angela Merkel noch François Hollande oder Barack Obama haben den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgefordert, seine Truppen endlich aus der Ukraine abzuziehen. Zu einer Lösung des Konflikts trägt diese Zurückhaltung keineswegs bei. Dadurch verstärkt der Westen vielmehr noch den Effekt der Propaganda aus Moskau, der er eigentlich entgegentreten wollte.“
Vom Kalten Krieg lernen
Ein Bericht des estnischen Think Tanks International Center for Defense and Security schlägt vor, die militärische Präsenz der Nato entlang der Ostsee zu verstärken. Eesti Päevaleht hält dies für einen guten Schritt, der aber gut kommuniziert werden muss:
„Das Problem ist, dass eine Stärkung der Verteidigung zwar nützlich ist, aber das Gerede von der Kriegsgefahr schlecht. Denn die historische Erfahrung des Kalten Kriegs zeigt, dass die Präsenz der Verbündeten eher beruhigend wirkt. Maßnahmen und Gegenmaßnahmen sind für die Gegner logisch verständlich, was eine entscheidende Rolle dafür spielte, dass der Kalte Krieg nicht heiß wurde. Die Vorbereitung auf das Schlimmste ist besser als die Annahme des Besten. ... Wenn aber zu viel Aufmerksamkeit auf die Kriegsgefahr gelenkt wird, ist dies schlecht für ausländische Investitionen und auch für die Motivation junger Esten, die im Ausland studieren, nach Hause zurückzukehren.“
Miteinander reden statt Truppen aufstocken
Wenn es weiterhin keine Annäherung zwischen der Nato und Moskau gibt, werden statt Worten weiterhin die Waffen sprechen, prophezeit Delo:
„Das ist in den zwei Jahren des Nicht-Miteinander-Redens auch passiert. Das gilt nicht nur für den Osten der Ukraine, wo immer wieder geschossen wird, sondern auch für die Art und Weise, wie wir das 'Problem' angehen. Dies zeigt sich am deutlichsten in der Entscheidung der Nato, aus Angst vor einer russischen Aggression so viele Verbände an die östliche Verteidigungslinie zu verlagern, wie sie Hitler zuletzt vor Beginn der Operation Barbarossa dort zusammengezogen hat. Die westlichen Analytiker, die sich darüber wundern, warum die Russen eine solche 'Verteidigungspolitik' als aggressiv ansehen, spielen wohl die Naiven.“
Nato-Russland-Rat braucht mehr Substanz
Die Wiederbelebung des Nato-Russland-Rats ist nur sinnvoll, wenn das Gremium mit mehr Kompetenz ausgestattet wird, meint die linksliberale Tageszeitung Der Standard:
„Der Dialog auf Botschafterebene, so wie er gerade wiederbelebt wurde, ist wichtig, kann aber nur der erste Schritt sein. Auf Dauer macht der Rat in diesem Format keinen Sinn. Bei allem Respekt gegenüber dem diplomatischen Geschick der Botschafter - ihre Entscheidungsbefugnis ist zu gering. ... Wichtiger noch als eine Aufstockung bei den Personalien ist aber eine echte Agenda für das Organ. ... Konsultationen müssen für beide Seiten erkennbare Resultate haben. Hier ist die Nato in der Pflicht, Sicherheitsbedürfnisse im Kreml - und wohl auch dessen Geltungsbedürfnis - ernst zu nehmen. ... Zugleich muss Russland seine grundsätzliche Ablehnung der Nato überwinden, wenn es tatsächlich Ergebnisse vom Dialog erwartet.“