Ergenekon hält Türkei weiter in Atem
Das oberste türkische Berufungsgericht hat die Urteile gegen 275 Personen im Ergenekon-Fall aufgehoben. Militärs und Oppositionelle waren 2013 mit dem Vorwurf der Putschvorbereitung gegen die AKP-Regierung zu teils lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Die türkische Presse diskutiert die Entscheidung.
AKP selbst befeuerte Prozesse
Die Gülen-Bewegung wird nun zum einzigen Verantwortlichen dafür gemacht, dass Beweise des Prozesses von 2013 rechtswidrig beschafft wurden, doch sie war damals eng mit der AKP-Regierung verbündet, betont die oppositionelle Sözcü:
„Es war die AKP-Regierung, die damals den Prozess befeuerte, von seinen Ergebnissen profitierte und selbst heute noch an unserer Spitze steht! Ihr Ziel war es, die Gesellschaft zu erdrücken, einzuschüchtern und zu erschrecken. Und wir müssen zugeben, sie war erfolgreich. ... Natürlich gab es auch die Gülen-Bewegung, die nicht nur beim Ergenekon-Prozess sondern überall aktiv war. Doch sie wurde von der AKP-Regierung angetrieben. Erst als zwischen beiden ein Streit um finanzielle Interessen entbrannte, wurde die Gülen-Gemeinde zum Buhmann erklärt. Davor machten AKP und Gülen-Gemeinde gemeinsame Sache.“
Putschisten den Garaus machen
Die regierungstreue Daily Sabah hält das Urteil für richtig, appelliert aber daran, die wahren Putschisten zu finden:
„Es ist Fakt, dass einige Leute sowohl aus dem Militär, als auch Zivilpersonen in eine Verschwörung involviert waren, um Erdoğans Herrschaft in ihrer Blütezeit zu beenden. Warum? Weil sie fühlten, dass Erdoğan der Führer der stillen Massen mit religiösen Empfindungen war, und dass diese Massen, die etwa 70 Prozent der Nation repräsentieren, nicht regieren sollten, sondern vielmehr eine säkulare Elite regieren sollte. Diejenigen die wollen, dass die Minderheiten-Elite anstatt jener regiert, die den Willen des Volkes repräsentieren, sind immer noch an der Arbeit. ... Deswegen müssen wir die Wahrheit ohne die Verzerrungen der Gülen-Bewegung hervorbringen. Dann können wir sicher sagen, dass die Tage der Putsche und militärischen Interventionen in die türkische Politik und Demokratie vorbei sind.“