Russland feiert Tag des Sieges
10.000 Soldaten, die in Moskau zur Parade aufmarschieren, Kampfjets über dem Roten Platz: Wie jedes Jahr gab es in Russland zum Tag des Sieges am 9. Mai landesweit pompöse Feierlichkeiten. Warum diese für das Land so wichtig sind, versuchen dessen Nachbarn zu ergründen.
Geschichte durch einen Mythos ersetzen
Wie in Russland das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg als staatstragende Ideologie dient, erklärt der polnische Historiker Marek Kornat in einem Interview für Postimees:
„Für die postsowjetische russische Gesellschaft hat man vergeblich eine Ideologie gesucht, die die Identität der Gesellschaft stärken würde. Der Mythos vom großen Vaterländischen Krieg ist die einzige verbindende Kraft auf den Ruinen der verbrannten kommunistischen Ideologie. Dies wird auch dadurch befördert, dass die aggressive Geschichtspolitik des heutigen Russlands keine finale Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit zulässt. Der Kult der imperialen Vergangenheit prägt die russische Gesellschaft tief. Dies wird besonders bei der Erziehung der neuen Generationen eingesetzt, denn diese Menschen haben keine Erinnerung an die Sowjetzeit und die stalinistische Verbrechen.“
Russland hat den Faschismus übernommen
Wenn Russland den Sieg über den Faschismus feiert, macht es sich damit schlichtweg lächerlich, erklärt das Portal Lrytas:
„Russland feiert am 9. Mai den Sieg gegen Nazi-Deutschland 1945. Obwohl der Krieg einen Tag zuvor endete, am 8. Mai. Die Wahrheit ist, dass Hitler von den Alliierten gemeinsam besiegt wurde. Aber kleine Lügen stören nicht. Der russische Publizist Viktor Schenderowitsch bemerkte: 'Russland hat zwar Hitler besiegt, aber nicht den Faschismus. Den Faschismus hat das heutige Russland übernommen, weil er ihm gefallen hat.' Da liegt er nicht falsch. Jede Diktatur wird letztendlich faschistisch, weil sie sich an die Wesensmerkmale des Faschismus anpasst: Lüge, Gewalt gegen die 'Anderen', Angst, Rassismus, Feinde im Inneren und Äußeren, Militarismus.“