Spaniens Konservative gewinnen Neuwahl
Die konservative PP von Spaniens Premier Mariano Rajoy hat die Neuwahl vor den Sozialisten und dem Linksbündnis Unidos Podemos gewonnen. Weil sich wie vor einem halben Jahr keine klaren Machtverhältnisse abzeichnen, steht das Land erneut vor einer schwierigen Regierungsbildung. Ob Rajoy weiter regieren kann, hängt von den Sozialisten und möglichen EU-Defizitstrafen ab, analysieren Kommentatoren.
Jetzt konservative Regierung ermöglichen
Die Sozialisten sollten die Konsequenz aus ihrer Wahlschlappe ziehen und durch Stimmenthaltung eine Regierung der konservativen Partido Popular ermöglichen, fordert die linksliberale Tageszeitung El País:
„Nach sieben Monaten muss Spanien seinen politischen Stillstand endlich überwinden. Eine Neuauflage des Pakts zwischen Sozialisten und Ciudadanos anzustreben, der jetzt über weniger Mandate verfügt als im März, ist nun unmöglich geworden. Deswegen bleibt nur die Option, sich zu enthalten und aus dieser Enthaltung einen politischen Nutzen zu ziehen. Verständlich, dass dieser Schachzug keinen Spaß macht. Aber eine Partei, die eine dermaßen große Niederlage hinnehmen musste, kann schlecht erwarten, dass sie nun vor leichten Entscheidungen steht. Im Übrigen liegt die Aufgabe der Sozialisten nicht darin, eine Regierung der PP zu verhindern, sondern eine Alternative zu ihr darzustellen.“
Rajoys Schicksal hängt an Milde der EU
Ob es eine weitere Amtszeit Rajoys gibt, hängt nicht nur von Mehrheitsverhältnissen ab, analysiert Sydsvenskan:
„Rajoy erinnerte die Wähler daran, dass seine Sparpläne das Land aus der akuten Krise geführt haben. Die finanzielle Situation des Staats sei der Beweis für die gelingende Reformpolitik. ... Tatsache ist aber, dass die Staatsverschuldung auf hohem Niveau bleibt und dass Spanien EU-Defizitstrafen fürchten muss, weil nicht genug getan wurde, um das Haushaltsdefizit zu reduzieren. ... Nach dem britischen Referendum bleibt es abzuwarten, ob die Kommission zu ihrer harten Linie steht und eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten sie unterstützt. Rajoy muss hoffen, dass sich die derzeitige Situation in der EU - wirtschaftlich und politisch - als zu problematisch für eine Entscheidung über Sanktionen gegen die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone herausstellt.“
Sieg der Passivität
Nach dem Wahlsieg der konservativen PP von Premier Mariano Rajoy stellt die Schriftstellerin Najat El Hachmi in der katalanischen Zeitung El Periódico de Catalunya enttäuscht fest:
„Viele dürften Rajoy eher aus Angst vor Podemos als wegen seiner Regierungsleistung gewählt haben. Unidos Podemos hat die Sozialisten nicht von links überholt und die PP hat auch noch beachtlich zugelegt. Das ist vollkommen unerklärlich, ein unglaubwürdiger Handlungssprung, als ob wir es mit einer Fiktion zu tun hätten. Weder die Unbeweglichkeit der vergangenen Monate, noch die leere Agenda oder die Kürzungen der vergangenen vier Jahre hatten irgendeinen negativen Einfluss auf die Wahl der PP. ... Nicht einmal der Brief mit dem Versprechen an Europa, dass Rajoy nach der Wahl notfalls weiter machen würde mit den Kürzungen. Vermutlich erstaunt das Beobachter und Meinungsforscher gleichermaßen. Jedenfalls ist klar, dass die Passivität gewonnen hat - die Politik des Stillhaltens und des Abwartens.“
Linkes Regierungsprojekt in Spanien gescheitert
Der Traum einer Linkskoalition aus Unidos Podemos und den Sozialisten PSOE ist endgültig ausgeträumt, bedauert Le Courrier:
„Weil Pablo Iglesias und Alberto Garzón damit gescheitert sind, ausreichend Stimmen für Podemos und die Vereinigte Linke zu bekommen, gibt es keine Möglichkeit mehr für eine zukunftsorientierte Regierung. Angesichts der Wahlkampfäußerungen des sozialistischen Kandidaten bestand ohnehin nur eine schwache Hoffnung, wodurch sich die geringere Mobilisierung der linken Wähler erklären lässt. … Die Option einer Podemos-PSOE-Regierung - auf Grundlage des recht erfolgreichen Modells in den Rathäusern von Madrid und Barcelona - hätte eine Zäsur einleiten können. Insbesondere im aktuellen Kontext wäre dies interessant gewesen, weil eine fortschrittliche Achse von Lissabon bis Athen hätte entstehen können, die bereit gewesen wäre, den Brexit-Schock für eine Neuausrichtung des europäischen Projekts zu nutzen.“
Spanien-Wahl verschafft EU Atempause
Dass das Linksbündnis Unidos Podemos bei der Neuwahl in Spanien nicht zulegen konnte, freut La Stampa:
„Unidos Podemos mag von sich auch behaupten, für Europa zu sein, doch das Bündnis präsentierte sich mit einem Programm, das die EU-Regeln infrage stellt ... Damit gehört die Partei zum gleichen Lager wie die Brexit-Befürworter. Es ist das Lager, das Europa zerstören will. ... Unidos Podemos mag kein Alliierter sein, wie dies der französische Front National und der italienische Movimento Cinque Stelle sind, doch ein guter Weggefährte ist das Bündnis allemal - und das reicht schon in diesem Krieg gegen die EU. … Diesmal hat das pro-europäische Zentrum der traditionellen Kräfte dem Ansturm standgehalten und überlebt. Doch die Gefahr der Erosion ist nicht gebannt, denn EU-Verdrossenheit ist nicht nur in Großbritannien zu finden.“