May verspricht "besseres Britannien"
Großbritanniens neue Premierministerin Theresa May hat in ihrer Antrittsrede versprochen, ihr Land gerechter und erfolgreicher zu machen. Außerhalb der EU solle es eine "kühne, neue, positive Rolle" spielen. Europas Kommentatoren überlegen, wie May das Vereinigte Königreich aus der Union führen kann.
Richtige Lehren aus dem Brexit-Votum gezogen
In ihrer Antrittsrede hat May angekündigt, für mehr soziale Gerechtigkeit im Land zu sorgen. Für die Salzburger Nachrichten ist das ein gutes Zeichen:
„May scheint nach dem Brexit-Votum die Botschaft zahlreicher Wähler verstanden zu haben, die es leid sind, vom Polit-Establishment vergessen und im Stich gelassen zu werden. Die Protestler haben in erster Linie für den EU-Ausstieg gestimmt, weil sie London eins auswischen wollten. Dabei trafen sie leider Brüssel, und letztlich werden sie selbst die Leidtragenden sein. May hielt in dieser Woche eine Rede, in der sie ankündigte, die soziale Ungleichheit bekämpfen zu wollen. Ihre Worte klangen mehr nach Labour als nach Tories, Hoffnung machten sie allemal.“
Briten müssen auch über das Wie entscheiden
Die neue Premierministerin sollte die Zeit bis zu den Austrittsverhandlungen mit der EU nutzen, um eine Debatte über die Modalitäten des Brexit in ihrem Land zu führen, rät NRC Handelsblad:
„Das Land hat den Austritt gewählt, aber im In/Out-Referendum gab es keine Möglichkeit, über die Frage zu entscheiden, welche Beziehung die Briten mit der EU und der restlichen Welt denn nun eingehen wollen. ... Wo liegt das Gleichgewicht zwischen Freihandel und der Begrenzung der Einwanderung? ... Durch Mays schnelle Ernennung wurde den Briten der Ideenstreit über die verschiedenen Arten des Brexit vorenthalten. Es wäre klug, wenn May doch noch eine Art und Weise findet, um diese Debatte in der Öffentlichkeit zu führen, bevor die Verhandlungen beginnen. Ihre Absicht, die sogenannte Artikel-50-Prozedur nicht vor Anfang des nächsten Jahres zu starten, ist daher verständlich - vorausgesetzt, dass sie Brüssel nicht endlos in Unsicherheit lässt.“
Mit Föderalismus bleibt das Königreich vereint
Theresa May kann den drohenden Zerfall des Vereinigten Königreichs im Zuge des Brexits nur mit einer Föderalisierung des Staates verhindern, glaubt der New Statesman:
„Der Status quo kann und sollte nicht beibehalten werden. Die Erarbeitung einer tauglichen föderalen Landesstruktur ist mit Sicherheit genauso wichtig wie ein Übereinkommen zwischen Großbritannien und der EU zu einem Abkommen nach dem Brexit. ... Viele der multinationalen Staaten der Welt sind zerfallen - von der Tschechoslowakei bis hin zu Jugoslawien. Auch das Königreich Spanien ist durch Unabhängigkeitsbewegungen in Katalonien und dem Baskenland destabilisiert. Belgien ist nicht viel mehr als ein Pseudostaat. Vor diesem Hintergrund gehört die Verhinderung einer Auflösung des Vereinigten Königreichs möglicherweise zu den größten Herausforderungen, denen sich May stellen muss, während sie sich mit den Folgen des epischen Scheiterns von David Cameron auseinandersetzt.“
Macht Platz für eine seriöse britische Lady!
Es ist höchste Zeit, dass mit Theresa May endlich eine fähige und ernsthafte Frau die Bühne der britischen Politik erobert und um Aufmerksamkeit heischende Politiker verdrängt, freut sich Neatkarīgā:
„Die Zeiten der Politiker-Clowns sind endlich vorbei und es kommt eine Sternzeit - eine aristokratische, kühle, intelligente Frau als komplettes Gegenteil zu Johnson und Farage. ... In der Geschichte Großbritanniens wird Theresa May nach Margaret Thatcher als zweite Frau in das Amt gewählt. ... Ihr Stil erinnert an den einer Schuldirektorin. Sobald sie spricht, wird klar, dass wir es mit einer starken Persönlichkeit zu tun haben, die die Redekunst beherrscht und zum Publikum in kühler Distanz bleibt statt falsche familiäre Nähe aufzubauen.“
May muss sich jetzt ins Zeug legen
May hat eine lange To-do-Liste vor sich, der sie nur durch eiserne Entschlossenheit gerecht werden kann, glaubt The Scotsman:
„Theresa May hat ihren Glauben daran deutlich gemacht, dass das Land eine starke Führung braucht und sie diese liefern kann. Bislang hat sie dies auch gezeigt, indem sie klar gemacht hat, dass das Resultat des Referendums anerkannt und eingehalten werden müsse. ... Nun muss May ihre Führungskraft dabei beweisen, das Land wieder zu vereinen und mit den ökonomischen und politischen Folgen des Referendums fertig zu werden. In unserem System wählen die Parteien ihre Führer, die Gewinnerpartei bestimmt also den Premier. Sie braucht sich ihr Mandat nicht vom Volk bestätigen zu lassen. Das Letzte, was Großbritannien nun braucht, ist das Eintauchen in die Unsicherheit einer Parlamentswahl.“
Londons neue schwierige Frau
Theresa Mays hartes Auftreten erinnert den Kolumnisten Màrius Carol in La Vanguardia an eine andere mächtige Frau Europas:
„Diese Lady ist eher eine Verwalterin als eine Politikerin. Ein bekannter konservativer Kolumnist schrieb, sie an die Spitze des Landes zu setzen, während Großbritannien den EU-Austritt vorbereitet, sei als wenn man einen Bankdirektor als Ringrichter im Boxkampf zweier Schwergewichte zulässt. Immerhin war sie sechs Jahre Innenministerin, ein Rekord in ihrem Land. Das hat in den vergangenen 50 Jahren keiner vor ihr geschafft. May wird oft mit Merkel verglichen, sie hat den Ruf, hart zu sein, ist Tochter eines Geistlichen und hat keine Kinder. Sie ähnelt ihr auch in ihrem Verständnis von Sympathie. Gestern sagte sie, der EU-Präsident werde bald Gelegenheit dazu haben, ihren Ruf als schwierige Frau zu bestätigen.“
EU muss sich jetzt kooperativ zeigen
May ist die ideale Frau, um die Verhandlungen mit der EU zu führen, lobt De Telegraaf:
„Dass sie zum Remain-Lager gehörte, macht sie zu einer akzeptablen Verhandlungspartnerin der EU. Außerdem hat May bereits angegeben, dass sie das Ergebnis der Volksabstimmung respektieren werde. Abgesehen davon bringt sie die notwendige Führungserfahrung mit, was in den kommenden schleppenden Verhandlungen nützlich sein wird. Mit anderen Worten: May könnte die ideale Wahl sein, um wieder Ruhe in das tief gespaltene Vereinigte Königreich zu bringen. Dabei kann sie die Hilfe von der EU gut gebrauchen. Die unversöhnlichen Worte von manchen europäischen Führern und Politikern ist genau die Manier, die die Briten weiter von der EU wegtreibt. Eine Einigung preist man nicht an, in dem man den austretenden Mitgliedern mit Hölle und Verdammnis droht.“
May braucht Legitimation durch Neuwahl
Dass die neue Premierministerin zwar von den Torie-Abgeordneten, nicht aber vom Volk gewählt wurde, kann zum Stolperstein für sie und ihre Partei werden, glaubt der Independent:
„Wenn Parteiführer scheitern, nachdem sie von den Parteimitgliedern gewählt wurden, ist es die Schuld der Basis, dass sie eine Niete gewählt hat. Wenn ein gewählter Premier in seinem Job versagt, hat das Land auf das falsche Pferd gesetzt. Aber wenn ein Premier den Job auf dem Silbertablett serviert bekommt - selbst wenn es der verworrenste Wettkampf um die Führung war, den die moderne Politik je erlebt hat -, dann ist es immer die Schuld der Partei. Das ist die Lehre vom Niedergang Gordon Browns [dem britischen Premier von 2007 bis 2010]. Es gibt nur einen Weg, wie Theresa May das Mandat erhalten kann, nachdem sie sich sehnt und wie sie die Partei schützen kann, der sie dient: Sie muss sofort eine neue Parlamentswahl anberaumen.“