IOC schließt Russland nicht komplett von Rio aus
Trotz der Dopingvorwürfe hat das Internationale Olympische Komitee entschieden, nicht das gesamte russische Team von den Olympischen Spielen in Rio auszuschließen. Lediglich die Leichtathleten müssen komplett zu Hause bleiben, über die Athleten anderer Sportarten entscheiden die Fachverbände. Russische Medien freuen sich über das Urteil.
Moskau hätte Strafe ausgeschlachtet
Der Verzicht auf einen Ausschluss der gesamten russischen Olympiamannschaft ist eine gute Entscheidung, schreibt Wladimir Mozgovoj in der russischen Nowaja Gaseta:
„Nur die größten Eiferer und ziemlich engstirnige Menschen konnten annehmen, dass ein Ausschluss russischer Sportler aus der olympischen Bewegung und dem weltweiten Sportsystem insgesamt die Machthaber in Russland dazu bewegen kann, ihre Politik zu ändern. Russlands Führung kann jede Strafe in Form von Isolation zu ihrem Vorteil verdrehen, schlau genug ist sie. Gott sei Dank haben die Teilnehmer der historischen Sitzung in Lausanne wenn nicht Weisheit, dann doch gesunden Menschenverstand bewiesen. Sie haben verstanden, dass ein totaler Ausschluss des sportlichen Russlands nicht jene bestrafen wird, die eine Strafe verdient hätten.“
Anti-Doping-Kampf jahrelang verpennt
Das IOC hätte viel früher aktiv werden müssen, findet La Libre Belgique:
„Die Fachverbände sind nun aufgerufen, von Fall zu Fall zu entscheiden. Und das müssen sie innerhalb einer unmöglichen Frist tun. Zudem dürfen russische Athleten, die in der Vergangenheit sanktioniert wurden, ihre Strafe jedoch verbüßt haben, nicht mitreisen. Wohingegen Sportler anderer Nationalitäten in der gleichen Situation antreten können. Das alles ist schwer zu akzeptieren. Der wirkliche Skandal ist jedoch, dass man die Lage, deren Ausmaß und Schwere seit Jahren bekannt sind, sich hat verschlimmern lassen. Denn das Risiko ist weiterhin groß, dass das institutionalisierte Doping die Spiele von Rio überlebt. In Russland wie auch andernorts.“
Komplettausschluss wäre gerechtfertigt
Die Entscheidung des IOC, auf den kompletten Ausschluss russischer Athleten zu verzichten, kann Eesti Päevaleht nicht verstehen:
„Eigentlich ist der Schritt, Russland wegen der Dopingprobleme von Olympia auszuschließen, gar nicht so unerhört, wie es im ersten Moment scheint. Russland ist nicht das einzige Land, dessen Sportler einiger Disziplinen zuhause bleiben müssen. Im November beschloss der Internationale Verband für Gewichtheben, die komplette bulgarische Mannschaft von der Olympiade fernzuhalten, nun droht das gleiche Schicksal außer Russland auch noch den Mannschaften von Belarus und Kasachstan. Dass saubere Sportstars wie [die russische Stabhochspringerin] Jelena Issinbajeva zuhause bleiben müssen, ist schade. Aber es ist auch schade, dass Issinbajeva und viele andere Russen nicht verstehen, dass sie vor allem Opfer ihres eigenen Staats sind und nicht einer Verschwörung gegen Russland.“
Verrat an olympischen Prinzipien
Das IOC mit seinem Chef Thomas Bach duldet Staatsdoping, urteilt De Volkskrant:
„Bach verhindert mit diesem zynischen Pokerspiel, dass der russische Doping-Skandal das IOC spaltet. Sommerspiele ohne Russland hätten zu Boykotten wie in den 70er und 80er Jahren führen können. Das IOC fühlte auch den Druck der internationalen Sportverbände, von denen einige ein inniges Band mit Russland haben. Das Land kann sich nichts mehr erlauben, sagt das IOC streng. Aber das Gegenteil scheint bestätigt zu sein. Der Paria des internationalen Sports darf also in Rio stolz hinter der russischen Flagge hermarschieren. ... Mit seinem unmöglichen Spagat sah Bach offenbar nicht, dass er das IOC zum zahnlosen Tiger macht, der vor einer Weltmacht in die Knie geht. Damit verrät das IOC indirekt das olympische Prinzip vom ehrlichen und sauberen Sport. Die Spiele von Rio sind von vornherein beschmutzt.“
Eine feige Lösung
Mit dem Entscheid, die russischen Sportler bei Olympia starten zu lassen, zeigt sich das Internationale Olympische Komitee von seiner schwachen Seite, meint die Neue Zürcher Zeitung:
„[D]as IOK hat die Chance nicht genutzt, sich als starke Institution zu profilieren, die das grosse Ganze im Auge behält und daher schwere Verstösse gegen die Integrität des olympischen Sports scharf ahndet. Die IOK-Exekutive hat viel mehr nach einer feigen Lösung gegriffen, die darin besteht, die Verantwortung nach unten zu delegieren. Es ist nun an den internationalen Sportverbänden, die (sauberen) russischen Athleten zu benennen, welche in Rio starten dürfen.“
Kollektivstrafe wäre unfair und unklug gewesen
Russland kann sich nach der Entscheidung des IOC nicht so leicht beleidigt ins Eck stellen, lobt The Independent:
„Bei den Olympischen Spielen geht es und ging es stets um das Abschneiden des Einzelnen - genau so sehr wie oder sogar noch mehr als um das Abschneiden eines Landes, wie auch immer es von außen aussehen mag. Russland auszuschließen, hätte ein Bruch mit diesem Ideal bedeuten können. ... Nach dem Beschluss des IOC wird sich Russland Fragen stellen müssen, viele davon werden nicht gerade angenehm sein. Einige Athleten des Landes werden immer noch Gründe haben, sich benachteiligt zu fühlen. Doch nun ist die Chance Gott sei Dank geringer, dass Russland grollend davonzieht und sich fragt, ob es sich tatsächlich auszahlt, sich an internationale Vorgaben zu halten, weil bei ihren Athleten andere Maßstäbe angelegt werden als beim Rest der Welt.“