Hammond legt Kosten für Brexit auf den Tisch
Der britische Finanzminister Philip Hammond hat am Mittwoch in seinem ersten Haushaltsentwurf Steuererleichterungen und mehr staatliche Investitionen angekündigt. In Folge des Brexit seien ein niedrigeres Wachstum und eine höhere Inflation zu erwarten. Der besonnene Auftritt Hammonds steht ganz im Gegensatz zur widersprüchlichen Brexit-Politik von Regierungschefin May, analysieren Kommentatoren.
Endlich eine Stimme der Vernunft
Schatzkanzler Philip Hammond fand sowohl im Ton als auch in der Sache die richtigen Worte, lobt Financial Times:
„Er machte sich das Motto von Regierungschefin Theresa May von 'einer Wirtschaft, die für alle funktioniert', zu eigen. Dennoch scheint er großteils jeglichem Druck widerstanden zu haben, den es von Mays Büro gegeben haben könnte, jenen Niedrigverdienern kostspielige Geschenke zu machen, die mit ihrem Einkommen gerade noch auskommen. ... Das Ermutigendste an Hammonds Premiere war das Fehlen von Ideologie, rhetorischer Schnörkel oder Effekthascherei, die nur auf schnelle Schlagzeilen aus ist. Er beendete seine Rede mit dem Versprechen, den übermäßig theatralischen Haushaltsprozess zu modernisieren, was dringend nötig ist. Angesichts der bevorstehenden Turbulenzen ist ein Schatzkanzler, der unaufdringliche Kompetenz zeigt und eher an die Vernunft als an die Gefühle appelliert, genau das, was das Land braucht.“
Londons Rosinenpickerei ein Ende bereiten
Der Brexit wird London teuer zu stehen kommen und eine britische Kernforderung für die kommenden Verhandlungen mit der EU macht ihn noch kostspieliger, konstatiert Il Sole 24 Ore:
„Völlig unverständlich bleibt das starrköpfige Festhalten an der Forderung, im Binnenmarkt bleiben zu wollen und gleichzeitig von der Personenfreizügigkeit verschont zu bleiben. Fünf Monate nach der Brexit-Abstimmung ist das Mantra von London immer dasselbe: den Binnenmarkt ausklammern und die Gemeinschaft zu verlassen mit dem Besten, was sie bietet. ... Alles ist möglich, doch offen gestanden hoffen wir, dass dies unmöglich ist. Nur die Entschlossenheit der EU-Staaten kann dieser Verhaltensweise ein Ende bereiten, die nirgendwohin führt und nur weiter Unsicherheit schürt. Diese Unsicherheit droht, letztlich neuen Haushaltsmanövern den Weg zu bahnen, die weitaus schmerzhafter sein könnten als die Medizin, die Philip Hammond seinem Land jetzt verschrieben hat.“
Turbokapitalismus stand nicht auf Mays Agenda
Großbritannien muss sich mit Blick auf den Brexit vor allem auf den Finanzsektor konzentrieren, doch das könnte noch zum Problem für Premierministerin May werden, analysiert der britische Politikwissenschaftler Harold James in Jornal de Negócios:
„Das Prinzip des Wettbewerbsvorteils fordert, dass Großbritannien den Schwerpunkt auf seine Dienstleistungsindustrie setzt, insbesondere auf die Finanzdienstleistungen. Bereits heute ist der Hauptantriebsfaktor der britischen Wirtschaft die City of London, und in einem der Nach-Brexit-Szenarien könnte die Rolle Londons als globales Finanzzentrum sogar noch steigen. Um dies zu erreichen, müsste die britische Regierung die Steuern senken, das Ausmaß der Regulierung verringern und die gut oder schlecht ausgebildeten Einwanderer, die im finanziellen Dienstleistungsbereich oder seiner Umgebung arbeiten, bevorzugt behandeln. Aber sämtliche Teile dieses Plans stehen im Widerspruch zum Ziel der Regierung, die Finanzindustrie zu zügeln und die Migrantenströme zu begrenzen.“