Endet bald der Krieg in Syrien?
Die von Russland, der Türkei und dem Iran ausgehandelte Waffenruhe in Syrien ist fragil. Rebellengruppen werfen der syrischen Regierung eine Verletzung der Waffenruhe vor. Ein dauerhafter Waffenstillstand ist nicht in Sicht, glauben einige Kommentatoren. Für andere ist das Kriegsende nah, da die Rebellen ohne Verbündete dastehen.
Rebellen bleibt nur Kapitulation oder Tod
Der Sieg Assads im Syrienkrieg steht kurz bevor, denn der Opposition gehen die Verbündeten aus, analysiert der Militärhistoriker Gwynne Dyer in Hürriyet Daily News:
„Assad hat den Krieg gewonnen, vor allem dank russischer und iranischer Intervention, und die syrischen Rebellen sind dem Untergang geweiht. Ihr Kampf hat keinen Sinn mehr, denn all ihre Unterstützer wenden sich von ihnen ab. Die Türkei kooperiert nun mit Russland, in drei Wochen wird Donald Trump der US-Präsident sein und mit Moskau kooperieren und Saudi-Arabien ist hoffnungslos überlastet mit seinem vergeblichen Krieg im Jemen. Selbst das kleine Katar, einst einer der Hauptsponsoren der syrischen Rebellion, hat jetzt sein Interesse verloren - es hat kürzlich einen 11,5 Milliarden Deal für eine 19,5 Prozent Beteiligung an Rosneft, Russlands größtem Öl-Produzenten unterzeichnet. Die Rebellen sind komplett auf sich allein gestellt und ihre einzigen Optionen sind entweder zu kapitulieren oder im Schützengraben zu sterben.“
Der lange Weg zum Frieden
Russland, die Türkei und der Iran werden noch große Anstrengungen unternehmen müssen, um einen endgültigen Waffenstillstand zu erreichen, glaubt La Libre Belgique:
„Die vor einer Woche auf dem gesamten syrischen Territorium in Kraft getretene Waffenruhe droht zu scheitern. Zu den sporadischen Kämpfen, die seit vergangenem Freitag verzeichnet wurden, kommen die jüngsten Auseinandersetzungen in der Region um Damaskus und das Attentat mit einer Autobombe in Dschabla - mitten in der historischen Hochburg der Assads. Die Vorfälle rufen in Erinnerung, dass es noch ein steiniger Weg ist bis zur vollständigen und dauerhaften Einstellung der Kämpfe. Sicher, man kann Russland, der Türkei und dem Iran nicht vorwerfen, dass es ihnen an Durchhaltevermögen fehlt. ... Weder mit Blick auf die Verteidigung des syrischen Staats noch auf dessen Destabilisierung. Ihr Bündnis, das versucht, Frieden in den Nahen Osten zurückzubringen, hat jedoch noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.“
Moskau muss mit Rebellen reden
Russland muss vorbehaltlos das Gespräch mit den Rebellen suchen, fordert die taz:
„Mit den Kämpfen um Wadi Barada ist die gesamte Waffenruhe in Gefahr. Das Regime und seine iranischen Unterstützer scheinen dieses Risiko eingehen zu wollen, um das Kräftegleichgewicht rund um Damaskus in ihrem Sinne zu verändern. Die Frage ist, wie sich Russland und die Türkei verhalten, die eigentlich die Garanten für diesen Deal sind. ... Moskau hat sich die Prämisse des Assad-Regimes zu eigen gemacht, die alle Gegner als Terroristen bezeichnet. Nun steht Russland als Garant des Waffenstillstands mit sieben moderaten Rebellengruppen, die das russische Verteidigungsministerium selbst benannt hat, in der Pflicht. Auch Russland weiß, dass sich die syrischen Widersprüche am Ende nicht allein militärisch, sondern nur politisch lösen lassen und dass man dafür Gesprächspartner braucht. Den kann man aber nicht gleichzeitig als 'Terroristen' diskreditieren.“
Gute Aussichten für den Kreml
Wenn die Waffenruhe hält, wäre dies ein wichtiger Erfolg für Russland, bemerkt das Onlineportal Diena:
„Russland hat es geschafft, seinen Verbündeten Assad an der Macht zu halten, aber diese Tatsache ist weniger wichtig als eine andere. Mit dem Einmischen in den Konflikt in Syrien hat Moskau gezeigt, dass es nicht zulässt, dass das schändliche Szenario von Libyen sich wiederholt. Das Vorgehen in Syrien, ähnlich wie die Annexion der Krim, hat auch die Situation im Land stabilisiert und damit die russische Regierung gestärkt. Das haben im letzten Jahr die Duma-Wahlen und der Sieg der Pro-Kreml-Kräfte bewiesen.“
Die Henker diktieren ihre Regeln
Der Syrienkonflikt hat erneut gezeigt, wie machtlos die UN ist, meint Dagens Nyheter:
„Russland (und China) haben fünf Jahre lang die Ansichten der so genannten Weltgemeinschaft mit einem Veto blockiert. Präsident Putin hat Kanonen an das Schlächterregime von Assad geliefert und sich zum Schluss auf seine Seite im Bürgerkrieg gestellt. Im letzten halben Jahr haben sie zusammen Aleppo in Schutt und Asche gebombt. Wenn das Blutbad tatsächlich unterbrochen wird, ist das eine Erleichterung für die Zivilbevölkerung. Doch Assad und Putin werden weiter schießen, wenn es ihnen passt. Die UN-Resolution ist von Russland und die Regeln des Waffenstillstands sind von den Henkern selbst geschrieben. Die Gegner des Regimes bleiben dabei 'Terroristen' und damit legale Beute.“
Waffenruhe hat taktische Funktion
Wladimir Putin verfolgt mit der Kampfpause die gewohnte Strategie, erklärt der Geograf Fabrice Balanche in Le Figaro:
„Die Waffenruhe weist wie alle, die ihr vorausgingen, eine offensichtliche taktische Dimension auf: Nach einer kräftigen Offensive erklärt Russland unilateral eine Feuerpause, welche den bewaffneten Bodentruppen erlaubt, die eroberten Gebiete zu sichern, um sich vor einer Gegenoffensive der Rebellen zu schützen. Die Ruhe an der Westfront kann so genutzt werden, um im Osten gegen den Islamischen Staat Land zurückzuerobern, wie es vergangenen März mit Palmyra gemacht wurde. Anschließend kündigt Wladimir Putin den Rückzug des 'Großteils seiner Truppen' an, was auf Russisch bedeutet, dass er eine simple Rotation von Truppen und Material vornimmt, um den nächsten Großangriff vorzubereiten.“
Der Kampf gegen die IS-Miliz geht weiter
Darauf, dass die IS-Terrormiliz weiterhin stark bleibt und daran auch die Waffenruhe in Syrien nichts ändern wird, weist Dnevnik hin:
„Die Waffenruhe in großen Teilen Syriens und eine eventuelle neue Runde von Verhandlungen zwischen Rebellengruppen, der syrischen Regierung und den Großmächten in Astana sind noch lange kein Garant dafür, dass die terroristischen Angriffe des Kalifats in Europa und in der Türkei aufhören werden. Auf den Brandherden Syriens, wo direkt oder indirekt mehr als 30 Länder kämpfen, hat sich in den vergangenen Jahren die propagandamäßig am stärksten aufgestellte Terrororganisation entwickelt. Mit ihren radikalisierten Kämpfern auf dem Schlachtfeld selbst und im Westen hat sie eine weitaus größere Reichweite, als sie al-Qaida jemals hatte. Der Kampf gegen den 'Islamischen Staat' wird länger dauern, als man auf das Ende des syrischen Bürgerkriegs warten muss.“
Russische Verdienste anerkennen
Der Westen hat zu lange verkannt, dass Russland in Syrien zur friedensstiftenden Macht werden könnte, kritisiert der Politikwissenschaftler und Historiker Götz Aly in der Berliner Zeitung:
„Am Ende kann sich herausstellen, dass das Eingreifen russischer Truppen einen für die meisten Syrer akzeptablen Friedensschluss ermöglicht hat. Noch im Herbst wurde in vielen deutschen Medien behauptet, die Einnahme Ost-Aleppos würde Hunderttausende weitere Flüchtlinge nach Europa treiben. Nichts davon geschah. Kürzlich warf Angela Merkel Russland Kriegsverbrechen in Syrien vor. Dass die von ihr propagandistisch unterstützten 'Rebellen' schon lange Kriegsverbrechen begangen haben, blendet sie aus. Man kann das moralisch kritisieren und sagen, die Kanzlerin messe mit zweierlei Maß. Ich sehe ein gravierenderes Problem: Im Fall Syrien leiden unsere führenden Politiker (und viele Journalisten) an Geschichtsblindheit und Realitätsverlust.“