Zoff um Zug zwischen Serbien und Kosovo
Erstmals nach 18 Jahren sollte am Wochenende eine Zugstrecke zwischen der serbischen Hauptstadt Belgrad und Mitrovica im Norden des Kosovo wiedereröffnet werden. Doch der erste Zug war in serbischen Nationalfarben und mit dem Slogan 'Kosovo ist Serbien' bemalt und wurde von kosovarischen Polizisten an der Grenze gestoppt. Kommentatoren verurteilen den Vorfall als serbische Propaganda und fühlen sich an finstere Zeiten erinnert.
Propaganda ohne Fahrplan
Serbische Medien unter staatlichem Einfluss beschuldigen Kosovo für den Eklat mit dem Zug nach Mitrovica. Die regierungskritische Tageszeitung Danas sieht die Verantwortung hingegen bei der serbischen Regierung:
„Säbelrasseln, Demonstrationen in Mitrovica und harte Worte sind das Resultat des Propagandaprojekts unter dem Namen 'Zug von Belgrad nach Kosovska Mitrovica'. Übertreibung, Kitsch, und offensichtliche Propaganda waren alles andere als Vorbedingungen für eine ruhige Reise. ... Diese Aufstellung konnte nur eines hervorrufen: Konflikt. So geschah es dann auch. Und der Präsident Serbiens rief, wohl in einem Anflug patriotischer Leidenschaft und dem Versuch, Punkte für den anstehenden Wahlkampf zu sammeln, nahezu zum Krieg auf. ... Dabei vergaß er, dass seine unverantwortliche Drohung auch die Konfrontation mit der Nato bedeuten würde. Ein Unglück für alle und eine wahrscheinliche Niederlage für Serbien.“
Serbien provoziert wie zu Vorkriegszeiten
Die Äußerungen des serbischen Premiers gleichen jenen aus der Zeit vor dem Jugoslawien-Krieg, schimpft Večernji list:
„Als der Zug nach Mitrovica anhielt, polterte der serbische Premier Vučić mit den Worten, es sei die letzte Warnung und Bitte an die Albaner in Kosovo und Metohija [serbische Bezeichnung für westlichen Teil Kosovos], nicht die [dortigen] Serben mit Waffen anzugreifen - das werde Serbien nicht zulassen. Eine Provokation, ähnlich der, die 1987 [Serbiens ZK-Vorsitzender] Milošević in Kosovo aussprach: 'Niemand darf Serben angreifen'. In den letzten Monaten gleichen die Aussagen serbischer Spitzenpolitiker immer öfter den Drohungen aus den 1980er Jahren, die dann im blutigen Waffengang endeten. So war auch das schlichtweg ein 'Zug der Provokation'. Wie soll man ihn auch anders nennen, wenn er Richtung Kosovska Mitrovica losgefahren ist mit der gigantischen Aufschrift 'Kosovo ist Serbien'. Mit dem gleichen Slogan hat Mislošević in den 1980er in Jugoslawien seine großserbische Politik gefördert.“
Frieden auf dem Balkan beruht auf Kompromissen
Der Zwischenfall mit dem Zug zeigt, wie brüchig Frieden und Stabilität auf dem Balkan sind, meint Delo:
„Die Kriegsrhetorik zwischen Kosovo und Serbien war eine Theatervorstellung. Obwohl es sich dabei um einen eingefrorenen Konflikt handelt, ist es nicht wahrscheinlich, dass es zu Gewalt zwischen den beiden Staaten kommt. Doch der Zwischenfall mit dem Zug hat gezeigt, dass der Frieden in Europa ein Ergebnis schmerzhafter Kompromisse ist. Nicht zuletzt basieren die Bestrebungen für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien auf dem Versprechen, dass die beiden zerstrittenen Seiten Mitglieder der Familie der europäischen Völker werden. ... Es ist auch eine Tatsache, dass Serbien weiterhin anstreben wird, Kosovo wieder in die eigenen Grenzen zurückzuholen, trotz der Verkündung der Unabhängigkeit, trotz der Anwesenheit der Friedensmissionen von Nato und EU und trotz milliardenhoher Finanzspritzen.“