Le Pens umstrittene Kopftuch-Weigerung
Front-National-Chefin Marine Le Pen hat einen Besuch beim libanesischen Großmufti abgebrochen, als sie aufgefordert wurde, sich ein Kopftuch umzubinden. Sie sei überrascht gewesen, dass dies als Bedingung für den Besuch bei dem muslimischem Geistlichen gilt, sagte die französische Präsidentschaftskandidatin. Dessen Büro teilte hingegen mit, man habe Le Pen zuvor auf das Protokoll hingewiesen. Wurde der Vorfall geschickt provoziert?
FN-Chefin besetzt die Nische
Die Vorsitzende des Front National profiliert sich als Verteidigerin der christlichen Werte, analysiert La Repubblica:
„Marine Le Pen kehrt aus Beirut nicht nur eingehüllt in die französische Nationalflagge zurück, sie umgibt auch die Aura der Beschützerin der bedrohten Christenheit. Mehr noch: Indem sie sich weigerte, ein Kopftuch zu tragen, um den Großmufti zu treffen, erhält sie nicht nur die Zustimmung der Anhänger des Front National, sondern auch aller leidenschaftlicher Verfechter des Laizismus. Eine geschickte Taktik, deren Stärke jedoch proportional im Verhältnis zu der Schwäche anderer steht. Wenn es ihr gelingt, die Rolle der Verteidigerin der Christen im Orient zu übernehmen, geschieht dies, weil ihre Gegner versäumt haben, dies zu tun. ... Eingeschüchtert von der Furcht, feindlich gegenüber dem Islam zu wirken, haben wir einer in erster Linie moralischen Pflicht abgedankt und sie denjenigen überlassen, die genau auf diese Islamfeindschaft setzen.“
Peinliche Inszenierung
Le Pens abrupte Weigerung, sich zu verhüllen, ist alles andere als professionell, kritisiert der Autor Jean-Pierre Lenoir in Boulevard Voltaire:
„In Zeiten, in denen Religionen für politische Zwecke instrumentalisiert werden, muss die Achtung religiöser Würdenträger und deren Traditionen im Rahmen dieses Kampfes oberstes Gebot sein. Ab dem Zeitpunkt, als die Präsidentin des Front National den Wunsch geäußert hat, den Großmufti des Libanon bei ihm, in seinem Land zu treffen, hätte sie diese Regel einhalten müssen. … Die ganze Angelegenheit wurde nach und nach geregelt, wenn man so sagen darf, denn Marine Le Pen hat dem Mitarbeiter, der ihr den Schleier reichte, offenkundig den Rücken zugewandt, und das alles in einer von Palavern und hektischen Mauscheleien geprägten Stimmung, die eher einem Basar als einem gut organisierten Staatsbesuch würdig war.“