Wie stark ist das Gespann Macron-Bayrou?
Mit einem Treffen in Paris haben Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron und François Bayrou ihr Bündnis für die Wahlen im Frühjahr besiegelt. Bayrou, Vorsitzender der Zentrumspartei MoDem hatte angeboten, auf eine eigene Kandidatur zu verzichten, um Macrons Chancen zu erhöhen und einen Sieg Marine Le Pens zu verhindern. Kommentatoren zufolge könnte dieser Plan aufgehen, dabei allerdings ungünstige Auswirkungen auf Frankreichs Politik haben.
Auch Macron wäre Bruch mit dem Establishment
Dass Macron ausreicht als Zeichen des Protests und sich die Wähler deshalb für ihn und nicht für Le Pen entscheiden, hofft das Handelsblatt:
„Wieder einmal ist die Triebkraft eine Mischung aus teils verständlichem Frust der Wähler über die etablierte Politik und strukturelle Probleme, aus der schieren Lust am Protest und aus der Schwäche der politischen Gegner. Deshalb ist der Schritt des bürgerlichen Politikers François Bayrou zu begrüßen, nicht als weiterer Kandidat anzutreten, sondern sich zwei Monate vor der bedeutenden Wahl hinter einen der demokratischen Kandidaten zu stellen. … Die Rückendeckung Bayrous dürfte Macron spürbar stärken. Die Angst der Investoren vor einem politischen Unfall sinkt bereits wieder leicht. Ein Präsident Macron wäre ebenfalls ein Bruch mit dem Establishment: ein 39 Jahre alter Ex-Investmentbanker, der nie in ein politisches Amt gewählt wurde und versucht, die Grenzen zwischen den Sozialisten und Konservativen aufzusprengen. Vielleicht reicht das als Protest.“
Politische Landschaft zersplittert immer mehr
Besorgt über das Gespann Macron-Bayrou zeigt sich L’Opinion und erklärt, dass sich das politische Spektrum Frankreichs, das mit dem erstarkenden Front National in den vergangenen 15 Jahren drei statt zwei starke Lager aufwies, weiter aufzuspalten droht:
„Dieses Dreiergespann verwandelt sich - möglicherweise - gerade in eine Quadriga aus einer extremen Rechten, einer republikanischen Rechten, einem sozialdemokratischen linken Zentrum und einer Protestlinken. Die beiden letzteren Lager teilen sich die Überreste der zersplitterten Sozialisten auf. Und natürlich setzt das neue Paar Macron-Bayrou genau dort an: Sie wollen die Sozialdemokratie zum Sieg führen. Bei der Präsidentschaftswahl kann dieses Kalkül aufgehen, für die Parlamentswahl [im Juni] stellt es enorme Risiken dar. Und hierin liegt die Widersprüchlichkeit dieses Unterfangens: zu glauben, dass aus vier in etwa vergleichbaren Kräften eine Mehrheit entstehen kann.“
Wirtschaft boomt trotz aller Unsicherheit
Darauf, dass Frankreich ungeachtet des Terrors und möglicher dramatischer innenpolitischer Veränderungen einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnet, weist The Irish Independent hin:
„Kein anderes westeuropäisches Land hat in der jüngsten Zeit so viele wirklich schlimme Terroranschläge überstehen müssen wie Frankreich. Doch abgesehen von einem gewissen Rückgang bei den Besucherzahlen sind kaum gesamtwirtschaftliche Auswirkungen feststellbar. Außerdem legen die aktuellsten Daten nahe, dass die französische Wirtschaft 2017 nicht nur an Wachstum zulegt, sondern möglicherweise sogar bald schneller wächst als die deutsche. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil in zehn Wochen eine neue Präsidentin in den Elysée-Palast in Paris einziehen könnte, die nicht nur einen EU-Austritt Frankreichs, sondern auch einen Ausstieg aus dem Euro anstrebt. Genau das sind die Forderungen von Front-National-Kandidatin Marine Le Pen.“
Macron zurück in der Spur
In der vergangenen Woche waren Macrons Umfragewerte eingebrochen, unter anderem wegen seiner umstrittenen Äußerungen zur Kolonialherrschaft in Algerien. Deshalb kommt das Angebot von Bayrou jetzt im richtigen Moment, findet Libération:
„Allein und ohne finanzielle Mittel hätte François Bayrou seine Karriere beenden können. ... Nach einer von Polemiken gespickten Woche findet Emmanuel Macron das Mittel, um seiner ins Stocken geratenen Kampagne neuen Schwung zu verleihen. Er heimst eine gewichtige Unterstützung ein und schaltet einen gefährlichen Gegner aus, ohne dabei jedoch den Eindruck zu vermitteln, in eine Verhandlung von Apparaten zu verfallen, die ihn zu der alten Politik zurückgeführt hätte, die er laut eigenen Aussagen verabscheut. Das Ganze geschieht in dem Moment, in dem Benoît Hamon es immer noch nicht schafft, seine unendlichen Verhandlungen mit den Grünen abzuschließen. All dies war auf jeden Fall eine (falsche) Allianz wert.“
Allianz der Schwächen
Vom angeblichen Glanz des Bündnisses der beiden Politiker kann Le Figaro nichts erkennen:
„François Bayrou war gezwungen, auf eine vierte Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl zu verzichten. Der schlaue Politiker, der vor einem Jahr von demjenigen überholt wurde, der En marche ! anführt, hatte keine andere Wahl, als sich diesem anzuschließen. Emmanuel Macron und François Bayrou betonen, wie sehr sich ihre unterschiedlichen Generationen und Charaktere ergänzen. Vor allem ist es aber eine Allianz von zwei Schwächen: der von Macron, der in seinen Widersprüchen gefangen ist und dessen Wahlkampf zu schwächeln begann; und der von Bayrou, der weder Unterstützung noch Wähler hat und der seinem längst vergangenen Einfluss nachläuft. Es fällt schwer, in dieser Politikerheirat die Grundlagen für ein neues politisches Angebot zu erkennen.“