Sollte Italien Sterbehilfe erlauben?
In Italien ist die Debatte über Sterbehilfe neu entbrannt, weil Fabio Antoniani, dort bekannt als DJ Fabo, in einer Schweizer Klinik Euthanasie in Anspruch genommen hat. Der 40-Jährige war seit einem Autounfall 2014 gelähmt und blind und hatte die italienische Politik bis zuletzt gedrängt, Menschen wie ihm das Recht einzugestehen, selbst zu entscheiden, wann sie sterben möchten. Italienische Medien diskutieren den Fall kontrovers.
Für die Probleme von Minderheiten ist kein Platz
Seit dem Fall der Komapatientin Eluana Englaro 2009 hat die Politik das Tabu der Sterbehilfe aus reiner Bequemlichkeit nicht mehr angerührt, wettert Bestsellerautor Roberto Saviano in La Repubblica:
„Was hat sich seit dem Tod von Eluana verändert? Nur eins. Die Politik hat entschieden, dass sie solche Angelegenheiten nichts mehr angehen. Sie hat entschieden, die Debatte über Sterbehilfe im Parlament auf Eis zu legen. Dass andere Probleme, vor allem wirtschaftliche, in Krisenzeiten wichtiger sind. Minderheiten interessieren sie nicht. Ganz gleich ob es Homosexuelle sind, Behinderte, Ausländer, unfruchtbare Paare, Opfer von Polizeigewalt oder Menschen, die in ihrem Körper wie in einem Käfig gefangen sind, den sie nicht länger ertragen. Das ist unser Land. Ein Land, in dem das Leben ohne Hindernisse, ohne offenkundige Probleme weiterzugehen hat. Wir haben Dich gehört, Fabo. Du hast einen würdigen Tod gefordert. Es gibt keine Rechtfertigung für das Schweigen, mit dem man dir geantwortet hat.“
Thema wurde werbewirksam aufgebauscht
Was die Öffentlichkeit aus dem Fall von DJ Fabo gemacht hat, ist ein unwürdiges Schauspiel, findet Avvenire:
„In den Medien und in der Politik ist auch dieses schmerzhafte Ende, noch bevor es eintrat, zur Schlagzeile geworden, zu einem öffentlichen Ereignis, das von allen Kommunikationsmitteln werbewirksam in den Vordergrund gerückt und ideologisch ausgeschlachtet wurde. Damit sollte eine vorab erstellte These untermauert werden, nämlich die Legitimität der ärztlichen Hilfe bei Selbsttötung, die in letzter Instanz Euthanasie bedeutet. ... Schon allein dieser Aufruhr, unabhängig davon, ob man die These inhaltlich für tragbar hält oder nicht, lässt Zweifel daran aufkommen, dass es den Verfechtern der Sterbehilfe wirklich um die 'Würde von Leben und Tod' geht. ... Worüber diskutiert werden kann und muss ist die Patientenverfügung, die viele biologisches Testament nennen. ... Hier gibt es Pro und Kontra, die in Erwägung gezogen werden müssen. Die Meinungen, die im Fall von DJ Fabo geäußert wurden, gehören jedenfalls nicht dazu.“