Proteste gegen Kleiderregeln in der Türkei
Wegen vermeintlich unangemessener Bekleidung hat ein Wachmann in Istanbul zwei Frauen aus einem Park geworfen. Daraufhin gingen am Wochenende Hunderte Frauen auf die Straße und demonstrierten erneut gegen Kleidervorschriften und Gewalt. Für einige Kolumnisten eine übertriebene Reaktion auf den Vorfall, für andere noch viel zu zahm.
Fakten werden in der Debatte ignoriert
Die regierungsnahe Tageszeitung Star glaubt, dass der Vorfall durch Medien und Bevölkerung bewusst verdreht wird:
„Die Angelegenheit wird genüsslich mit dem Vorwurf 'Sie mischen sich in unseren Lebensstil ein' breit getreten. ... Mit der Haltung 'Wer bist du, dass du dich in den Kleidungsstil einer Frau einmischst' macht man es sich natürlich wieder einfach. Sowohl die Bevölkerung, als auch die Doğan-Mediengruppe, und selbst die Verantwortlichen der Firma, bei der der Wachmann angestellt war, haben sich für diese Bequemlichkeit entschieden. Aber der Wachmann erklärt: 'Eine Frau mit einem Baby auf dem Arm kam und hat sich über das unangemessene Verhalten dieser Mädchen beschwert und darum gebeten, dass wir einschreiten.' Doch dieser Teil der Aussage wird ignoriert.“
Frauen, brecht aus eurem Käfig aus!
Frauen haben viel zu lange ein sexistisches System mitgetragen, findet die Kolumnistin Mine Söğüt in der oppositionellen Tageszeitung Cumhuriyet:
„Ihr Frauen bestätigt seit Generationen immer wieder dieses bedrohliche System der Doppelmoral unter dem Deckmantel von Recht, Sitte und Tradition. ... Ihr seid gefangen in einem Käfig, den eine dreiste Sittenaufsicht um euch herum errichtet hat. Selbst wenn die Gitter bersten seid ihr geschickt genug, sie eigenhändig wieder zu reparieren. Der Käfig hat eine Tür, und sie steht sperrangelweit offen. Doch ihr brecht nicht aus. Ihr könnt jedes Mal wenn euch etwas zustößt auf die Straße laufen und rufen 'Misch dich nicht in meine Kleidung ein'. Sie werden sich weiter einmischen. ... Zumindest solange ihr nicht dieselbe Energie, die ihr zum Putzen eurer Wohnungen aufbringt, dafür einsetzt, diese dreckige Gesinnung wegzuwischen, die euch einredet, ihr müsstet euch eurer Existenz schämen.“