Aufschwung der Rechtsextremen in den USA?
Unter dem Druck der Öffentlichkeit hat US-Präsident Trump den Rassismus des Ku-Klux-Klans und der sogenannten White-Supremacy-Bewegung zwei Tage nach den Gewaltausbrüchen in Charlottesville als „abstoßend“ verurteilt. Europas Kommentatoren diskutieren, was den Präsidenten mit den extrem rechten Wählerschichten verbindet und ob nicht auch die Medien oft auf einem Auge blind sind.
Linksextreme Gewalt wird totgeschwiegen
Angriffe gab es auch auf andere, nur haben sich die Medien dafür wenig interessiert, klagt The Times:
„Seit Trumps Aufstieg hat es immer wieder Ausbrüche von Gewalt gegeben. Meist gingen sie von Antifa-Aktivisten aus und richteten sich gegen gewöhnliche Anhänger der Republikaner oder andere Konservative, sei es auf Pro-Trump-Kundgebungen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen. Sie wurden entweder daran gehindert, öffentlich zu sprechen, oder von den Antifa-Aktivisten und anderen linksextremen Demonstranten körperlich angegriffen. Derartige Attacken auf Konservative aus der politischen Mitte wurden von den Demokraten und ihren Gefolgsleuten in den Medien ignoriert, heruntergespielt oder gar befürwortet.“
Bannon schlägt Brücke zu den Rechten
Die laue Reaktion Trumps auf die Ereignisse in Charlottesville ist seinem Chefstrategen Steve Bannon zu verdanken, mutmaßt Večernji list:
„Noch im Sommer 2014 sprach Bannon als Chef des rechten Portals Breitbart News bei einer Konferenz von der 'Krise des jüdisch-christlichen Westens'. Wir befänden uns am 'Beginn eines sehr brutalen und blutigen Krieges', der 2.500 Jahre westlicher Zivilisation auslöschen werde. ... Steve Bannon ist das Bindeglied zwischen Trump und den nationalistisch und rassistisch eingestellten US-Wählern und jenen, die sich für die Theorie einer Überlegenheit der weißen Rasse begeistern. Deshalb hat Trump erst verspätet und unter dem enormen Druck der Öffentlichkeit dem einheimischen, amerikanischen Rassismus die Schuld am Terrorakt von Charlottesville gegeben.“
Kulturkrieg wütet nun auf Amerikas Straßen
Die Polarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft beherrscht nunmehr nicht allein die sozialen Medien, beobachtet De Volkskrant:
„Präsident Trump weigerte sich, den brutalen Anschlag als Terrorismus zu bezeichnen. Das zeigt, dass dies kein Exzess war, sondern ein Symptom eines bis ins Mark gespaltenen Amerikas. Mit Trumps Wahl wurde die Polarisierung offiziell zum Leitmotiv der US-Politik. ... Die öffentliche 'Rückkehr' von weißen Männern mit Fackeln im Süden der USA ist ein Signal, dass die Polarisierung in den sozialen Medien immer leichter den Weg auf die Straße findet. Das ist umso gefährlicher, da Amerika jetzt einen Präsidenten hat, der auf der Welle der Polarisierung in sein Amt gespült wurde, aber kein Interesse daran hat, diese zurückzudrängen.“
Trump ist nicht an allem schuld
Für den Tagesspiegel ist Trump nicht die Ursache des erstarkenden Rassismus:
„Die weißen Suprematisten - also Gruppen, die die Überlegenheit der weißen Rasse behaupten - vermehren sich in den USA schon seit mehr als einem Jahrzehnt. ... Mit der Wahl Barack Obamas machte die Zahl rechter Gruppen einen Sprung nach oben. Der erste schwarze Präsident sei wie ein Signal für die Szene gewesen, dass ihre These vom Untergang der weißen Rasse zuträfe, vermuten Experten. Doch es sind wohl auch Armut und Bildungsmisere, die zu ihrem Erstarken beitragen. ... Trump selbst scheint kein echter Rassist zu sein. Er ist ideologischer Nihilist. Er glaubt wahrscheinlich an nichts außer sich selbst.“
Fehltritt des Jahrhunderts
Niemand hat das Präsidentenamt so sehr besudelt wie Trump, wettert El País:
„Von allen Schäden, die Donald Trump dem Amt des Präsidenten zufügt, ist der moralische der schwerste. Und das, obwohl es durchaus Präzedenzfälle gab, wie Richard Nixons Großkotzigkeit, die ihn zum Rücktritt zwang, Ronald Reagans Gleichgültigkeit gegenüber der Aids-Epidemie oder Bill Clintons sexuelle Entgleisungen. Kein Ereignis des vergangenen Jahrhunderts lässt sich damit vergleichen, dass sich der US-Präsident nun weigert, den rassistischen Terrorismus beim Namen zu nennen, nachdem ein bis an die Zähne bewaffneter Neonazi-Mob 200 Kilometer von der Hauptstadt entfernt aufmarschierte und drei Tote hinterließ.“
Trump braucht weiße Fanatiker noch
Der Grund für die halbherzige Verurteilung der rechtsextremen Gewalt könnte taktische Raffinesse sein, vermutet das Handelsblatt:
„Man muss nur kurz in die Internetforen rechter Waffennarren eintauchen, um zu spüren, dass sich ein Sturm in den USA zusammenbraut. Trumps Wählerbasis ist auf einen harten Kern zusammengeschrumpft - und dieser harte Kern ist zu allem entschlossen. Sollten die Ermittlungen gegen Trump auf eine Amtsenthebung hinauslaufen, würde der Sturm losbrechen. Darum verurteilt der Präsident die weißen Fanatiker nicht. Er braucht sie. Zur Abschreckung.“
Wehret den Anfängen!
Trumps Politik ist für die rechtsextreme Gewalteskalation in Virginia mitverantwortlich, urteilt die Neue Zürcher Zeitung:
„Nicht von ungefähr marschierten die Ultrarechten am Samstag mit Trumps Wahlplakaten und gelobten, dessen Versprechen umzusetzen. Trump ist nicht verantwortlich für den jüngsten Konflikt, aber durch seine Wahl fühlen sich die Ultrarechten in ihren Forderungen bestätigt. Wichtig wäre nun, dass der Präsident explizit die Taten der Suprematisten verurteilt, sich klar von ihnen distanziert und ihnen mit der Macht seines Amtes einen Riegel vorschiebt. Sonst war die Amokfahrt von Samstag möglicherweise nur der Anfang. Die Rechten haben bereits versprochen zurückzukehren.“
Rassenhass lebt wieder auf
Die bösen Geister der Vergangenheit suchen die USA heim, konstatiert Evenimentul Zilei:
„Dass der Rassenhass wieder auflebt, als Antwort auf die offene, freie und unzensierte Rede und politisch korrekte Debatte, wird Amerika enorm viel kosten. In den USA gibt es häufig Diskussionen um die Diskriminierung farbiger, lateinamerikanisch/hispanischer Minderheiten oder anderer Nationalitäten. ... Dass nun die rechtsextremen Demonstrationen in dem als konservativ geltenden Süden der USA zurückkehren, wo es einen tiefen Hass gegen andere Meinungen und alles gibt, was anders ist, öffnet die Büchse der Pandora. Es ist eine Rückkehr in die Zeiten, von denen man dachte, sie seien seit der Wahl von Barack Obama als erstem farbigen Präsidenten ins Weiße Haus vor acht Jahren vorbei.“
Umverteilung nährt Rassismus
Die "White Supremacy"-Bewegung hat ihre Wurzeln in neuen Formen von sozialer Ungerechtigkeit, analysiert La Repubblica:
„Um die Bildung einer schwarzen Mittelklasse zu fördern, wurden Maßnahmen ergriffen, die mit der Wirtschaftskrise an ihre Grenzen stießen und dazu geführt haben, dass es jetzt die Weißen sind, die provokativ Forderungen stellen. ... Die positive Diskriminierung lief unter dem liberalen Banner der Gerechtigkeit. Sie hat zur Inklusion geführt, doch hat sie auch Groll und Wut gesät gegen die farbigen 'Empfänger' der Privilegien. Von diesem Groll muss man heute ausgehen, um die Beschaffenheit des neuen Rassismus zu begreifen, der auch eine Reaktion ist: der gesellschaftlich ausgegrenzten, nicht wohlhabenden Weißen gegen die noch weiter ausgegrenzten und noch ärmeren Schwarzen. Arm gegen Arm, doch im Namen der Rasse, nie im Namen der Klasse.“
Aufstand der Privilegierten
Sabah spottet über die Demonstrationen der Rechtsextremen:
„Die Teile der US-Gesellschaft, die - noch - die Mehrheit stellen, machen einen Aufstand. Wogegen begehren sie auf? Kurz gefasst dagegen, dass sie keine selbstherrliche Überlegenheit mehr besitzen wie früher. Werden ihnen im Restaurant, beim Busfahren, in der Ausbildung oder bei Wahlen ihre Rechte beschnitten wie einst den Schwarzen? Oder werden sie vielleicht willkürlichen Schusswaffen-Angriffen durch die Polizei ausgesetzt, wie das in Amerika noch immer mit allen geschieht, die nicht weiß sind? Oder wird ihnen etwa ihr Grundbesitz gewaltsam weggenommen und sie werden zwangsumgesiedelt? Werden sie nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, weil sie weiß sind? Ironie beiseite, es ist wie in der berühmten Redewendung: Für den Privilegierten ist Gleichheit eine Grausamkeit.“